POLITICO Berlin Playbook: Machthaber: Ursula von der Leyen
Die POLITICO-Analyse zeigt, wie Ursula von der Leyen trotz Skandalen und fehlender demokratischer Legitimation zur EU-Spitzenpolitikerin wurde.
POLITICO Berlin Playbook
43 min read2795 min audioDie POLITICO-Sommerfolge rekonstruiert den Aufstieg von Ursula von der Leyen vom gescheiterten deutschen Verteidigungsminister zur mächtigsten Kommissionspräsidentin der EU-Geschichte. Gordon Repinski zeichnet dabei ein Bild, das zwischen bewundernswertem Krisenmanagement und fragwürdigen Hinterzimmerdeals schwankt.
### 1. Die Krönung ohne Mandat
Von der Leyen sei 2019 nur durch einen „klassischen Hinterzimmerdeal“ nominiert worden, nachdem das Spitzenkandidatenprinzip ausgehebelt wurde. Wie Repinski betont, habe sie „keine eigene Wahl hinter sich, sondern wurde von den Königsmachern im Hinterzimmer gekrönt“ – mit nur neun Stimmen Mehrheit im Parlament.
### 2. Die Flucht vor dem deutschen Skandal
Ihre Ernennung nach Brüssel werde als Rettungsaktion Merkels dargestellt: „Der Wechsel nach Brüssel, es ist wie ein rettender Ausweg“ aus der Berateraffäre und dem desolaten Zustand der Bundeswehr. Der Podcast lässt keinen Zweifel, dass dies eine Beförderung aufgrund von Schwäche, nicht Stärke war.
### 3. Die Macht der Krisen
Von der Leyen habe Corona und den Ukraine-Krieg genutzt, um ihre Position zu stärken. Besonders der gemeinsame Schuldenfonds von 750 Milliarden Euro werde als „Tabubruch“ gefeiert, der die EU „entscheidend verändert“ habe. Kritiker:innen würden dies als „Ergebnisorientiertheit trotz fehlender Transparenz“ brandmarken.
### 4. Der grüne Umbau als Sprengsatz
Der European Green Deal wird als „Politik von oben“ dargestellt, die erst durch massiven Druck von Bauernprotesten und Gelbwesten-Bewegungen korrigiert wurde. Repinski kontert die offizielle Darstellung: „Die sozialen Konsequenzen seien nicht von Anfang an mitgedacht worden.“
### 5. Die zweite Amtszeit im Schatten des Rechtspopulismus
Mit nur knapper Mehrheit und einer gestärkten Rechtsaußen-Opposition im Rücken beginnt von der Leyen ihre zweite Amtszeit „geschwächt“. Die Frage bleibe: „Hält sie an ihrem ambitionierten Klimaplan fest und riskiert, ihre eigene politische Basis zu verlieren?“
## Einordnung
POLITICO liefert hier kein neutrales Porträt, sondern eine sorgfältig inszenierte Heldengeschichte mit eingebauten Zweifeln. Die Machart fällt auf: Dramaturgisch geschickt werden Skandale und Krisen zu narrativen Wendepunkten stilisiert, während kritische Fragen oft nur als rhetorische Stilmittel dienen. Besonders auffällig ist die Selbstinszenierung des Mediums – ständig wird betont, wie exklusiv und tiefgründig die POLITICO-Recherchen seien. Die Perspektive bleibt dabei durchgehend elitär: Landwirte und kritische Bürger:innen kommen nur als wütende Masse vor, nie als komplexe Akteure. Gleichzeitig wird von der Leyens paneuropäischer Machtanspruch fast unhinterfragt als Fortschritt dargestellt, während nationale Demokratiebedenken als rückwärtsgewandt abgetan werden. Es ist hochkarätiger Journalismus, aber eben auch eindeutig Partei ergreifend – für die EU-Integration und ihre derzeitige Chefin.