Shortcut – Schneller mehr verstehen: Best of »Smarter leben«: Wie überzeuge ich in schwierigen Gesprächen?
Praxisnahe Kommunikationsstrategien für heikle Diskussionen – von Gendern bis Gehaltserhöhung.
Shortcut – Schneller mehr verstehen
43 min read2418 min audioIn dieser SPIEGEL-Special-Folge von »Smarter leben« geht es um die Frage, wie wir Menschen überzeugen können, die fest an ihrer Meinung festhalten – ohne selbst zum Rechthaber zu werden. Gast ist die Rhetorik- und Verhandlungstrainerin Marie-Theres Braun, die in ihrem Buch 28 kooperative Techniken vorstellt. Moderiert wird das Gespräch von Lenne Kafka.
### 1. Touch-Turn-Talk: Werte anerkennen, dann wenden
Die wirkungsvollste Technik sei »Touch-Turn-Talk«: Erst den Wert der Gegenposition anerkennen (»Ich finde Gleichberechtigung auch wichtig«), dann eine neue Perspektive eröffnen (»Ich habe nur einen anderen Weg dafür«) und erst danach argumentieren. So würden Abwehrreaktionen vermieden.
### 2. Weniger Argumente, mehr Fokus
Mehr als drei Argumente seien kontraproduktiv, da die Gesprächspartnerin sich dann das schwächste heraussuchen und darauf eindreschen würde. Stattdessen sollten die Argumente genau auf die Werte des Gegenübers zugeschnitten werden – etwa Produktivität statt Mitgefühl, wenn der Chef so tickt.
### 3. Konkretisierende Fragen statt Frontalangriff
Statt mit Gegenargumenten zu feuern, helfe es, mit echter Neugier nachzufragen: »Was genau meinst du mit Gendern?« Das entlarve Missverständnisse, baue Beziehung auf und nehme dem anderen die Notwendigkeit, sich zu verteidigen.
### 4. Körpersprache und emotionale Dekodierung
Eine leicht geöffnete Schulterhaltung, tiefe Atmung und das Vermeiden von Frontalität würden sofort Spannung nehmen. Bei emotionalen Eskalationen helfe es, Gefühle zu benennen: »Das kann einen wütend machen« – aber bitte ohne belehrenden Ton.
### 5. Online-Kommunikation als besonderer Fall
In sozialen Medien fehlten Stimme und Körpersprache; negative Interpretationen würden in dieses Vakuum fließen. Smileys wie der Zwinker-Emoji könnten schnell passiv-aggressiv wirken.
### 6. Wann Gespräche sinnlos werden
Wenn eigene Emotionen zu hoch seien oder die andere Person aus strukturellen Gründen (z. B. Rassismus oder Sexismus) einen nicht ernst nehme, sei es legitim, das Gespräch zu verweigern oder eine alternative Autoritätsperson zu schicken.
## Einordnung
Die Folge präsentiert sich als praxisnaher Ratgeber, der ohne erhobenen Zeigefinger kommunikative Strategien vermittelt. Braun gelingt es, komplexe psychologische Mechanismen (Reaktanz, Negativity Bias, Emotionsregulation) anschaulich zu erklären und mit vielen Beispielen aus Alltag, Politik und Business zu verknüpfen. Besonders bemerkenswert ist die klare Abgrenzung zwischen Manipulation und wertschätzender Überzeugung: Es komme immer auf das Ziel an, nicht auf die Technik. Kritisch anzumerken ist, dass die präsentierten Techniken – etwa die gezielte Ansprache von Werten – auch für fragwürdige Zwecke missbraucht werden könnten. Die Expertin thematisiert dies zwar am Rande, bleibt aber insgesamt optimistisch. Die Moderation durch Lenne Kafka ist angenehm zurückhaltend und lässt der Expertin viel Raum. Wer konkrete Werkzeuge für schwierige Gespräche sucht, bekommt hier eine gut strukturierte Einführung – ohne Anspruch auf wissenschaftliche Tiefe, aber mit hohem Praxisnutzen.