The Rest Is Politics: 434. Why the West is Finally Recognising Palestine
Zwei ehemalige britische Spitzenpolitiker entfalten die geopolitischen Machtverschiebungen hinter der Palästina-Anerkennung und Trumps Handelskriegen.
The Rest Is Politics
57 min read3467 min audioAlastair Campbell und Rory Stewart diskutieren in dieser Folge von "The Rest Is Politics" die jüngsten diplomatischen Entwicklungen rund um die Anerkennung eines palästinensischen Staates durch Großbritannien, Frankreich und Kanada. Sie analysieren, wie Israels Vorgehen im Gazastreifen die globale Meinung verschoben habe, sodass eine Anerkennung, die vor zwölf Monaten noch undenkbar gewesen sei, nun Realität werde. Stewart wirft vor, dass die Anerkennung teils inkonsistent erfolge – etwa mit Forderungen nach einer entmilitarisierten palästinensischen Staatlichkeit, während gleichzeitig keine vergleichbaren Auflagen an Israel gestellt würden. Beide kritisieren, dass eine koordinierte europäische Erklärung verpasst wurde.
Im zweiten Teil widmen sie sich ausführlich Donald Trumps neuen Handelszöllen gegen Brasilien, Indien und die Schweiz. Sie sprechen von einer "strategischen Unordnung", da die Maßnahmen weder ökonomisch kohärent noch rechtlich nachvollziehbar seien. Campbell hebt hervor, dass Trump offenbar persönliche Motive – etwa die Freilassung von Bolsonaro – mit Handelspolitik verknüpfe. Die Diskussion endet mit einer Reflexion über die Gefahren der politischen Einflussnahme auf statistische Behörden, nachdem Trump die Leiterin der US-Arbeitsmarktstatistik entlassen hatte.
### 1. Die Anerkennung Palästinas sei eine direkte Reaktion auf Israels Gaza-Politik
Campbell und Stewart betonten, dass die jüngsten Anerkennungen durch Großbritannien, Frankreich und Kanada „ein Produkt von Israels Handeln in Gaza“ seien. Stewart: „Es wäre vor zwölf Monaten fast undenkbar gewesen, dass all diese Länder Palästina anerkennen würden.“
### 2. Die Anerkennung erfolge inkonsistent und ohne klare strategische Linie
Stewart kritisierte, dass Großbritannien und Frankreich nicht gemeinsam aufträten: „Es wäre unglaublich mächtig gewesen, wenn Macron und Starmer eine gemeinsame Erklärung abgegeben hätten.“ Campbell ergänzte, dass Frankreichs Forderung nach einer „entmilitarisierten“ palästinensischen Staatlichkeit problematisch sei, da Israel keine vergleichbaren Auflagen erhalte.
### 3. Trump nutze Zölle als Druckmittel für persönliche politische Ziele
Die Moderatoren warfen Trump vor, Handelszölle gezielt einzusetzen, um politische Gefälligkeiten zu erpressen. Stewart: „Er verhängt 50 % Zölle gegen Brasilien, nicht wegen Handelsdefiziten, sondern weil Brasilien Bolsonaro wegen eines Putschversuchs vor Gericht stellt.“
### 4. Die Schweiz und Indien seien Opfer willkürlicher Strafmaßnahmen
Campbell schilderte, wie die Schweiz trotz bestehender Investitionen in die USA plötzlich mit 39 % Zöllen belegt werde – obwohl Gold, ihr Hauptexport, eigentlich ausgenommen sei. Indien habe sich zudem sicher gefühlt, „als bevorzugter Partner gegen China“, sei nun aber „unglaublich hart getroffen“ worden.
### 5. Die Entlassung der Statistik-Chefin markiere einen gefährlichen Präzedenzfall
Beide warnten vor der politischen Einflussnahme auf unabhängige Behörden. Campbell: „Es ist ein schlechter, schlechter Schritt, wenn der Präsident die Leiterin der Statistikbehörde entlässt, weil ihm die Zahlen nicht passen.“ Stewart verglich dies mit autoritären Praktiken: „Wir sind nicht ganz beim sowjetischen Zensusdirektor, der erschossen wurde, aber wir sind auf dem Weg dorthin.“
## Einordnung
Die Folge zeigt zwei erfahrene Politik-Insider, die mit scharfer Analyse und historischem Kontext internationale Machtverschiebungen entfalten. Campbell und Stewart gelingt es, komplexe geopolitische Dynamiken – von der Nahost-Diplomatie bis zu Trumps Handelskriegen – in klare Narrative zu übersetzen. Besonders bemerkenswert ist ihre Fähigkeit, widersprüchliche Positionen innerhalb westlicher Außenpolitik offenzulegen: Sie kritisieren Israels Gaza-Politik ebenso wie die inkonsistente Reaktion der EU-Staaten. Gleichzeitig wird deutlich, wie sehr sich das traditionelle westliche Machtgefüge verändert – die Schweiz als klassisches „Neutralitätsopfer“ und Indien als vermeintlicher US-Partner werden plötzlich zu Zielscheiben. Die Diskussion um Trumps Statistik-Entlassung verweist auf eine tiefgreifende Gefahr: die systematische Schwächung unabhängiger Institutionen durch populistische Regierungen. Die Sendung bleibt dabei journalistisch anspruchsvoll, ohne in parteiliche Polemik zu verfallen – eine seltene Balance in der heutigen politischen Medienszene.
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