ADHS: Kein Grund zur Panik!: ADHS im Studium: Herausforderung & Chance
Experten-Podcast über ADHS im Studium: Praxisnahe Tipps vom Facharzt für Betroffene und Angehörige.
ADHS: Kein Grund zur Panik!
26 min read1428 min audioIn der Podcast-Folge "Ein Studium mit ADHS – kein Grund zur Panik" spricht Moderator Christian Schiffbauer mit Facharzt Benedikt Bradtke über die besonderen Herausforderungen von Studierenden mit ADHS. Bradtke erläutert, dass rund 2.400 Betroffene allein in Münster studieren könnten und dass viele erst im Studium auffällig würden, weil dort die bisherigen Kompensationsstrategien versagen. Die zentralen Unterschiede zur Schule lägen in der fehlenden Struktur, dem höheren Selbstorganisationsbedarf und dem Wegfall sozialer Stützen. Als Lösungen empfiehlt er multimodale Therapie, feste Routinen, Lerngruppen, Nachteilsausgleiche und den Besuch von Selbsthilfegruppen. Besonders betont wird die Bedeutung frühzeitiger Diagnosen und die Wahl passender Studiengänge – dynamische, kreative Fächer gelten als vielversprechend, während Jura oder Ingenieurwissenschaften oft schwieriger seien.
### 1. Erstmanifestation im Studium sei keine Seltenheit
Viele intelligente Betroffene würden erst im Studium auffallen, da frühere Leistungen durch Hyperfokus und externe Strukturen kompensiert worden seien. Bradtke berichtet: "Die ADHS im Kindesalter und auch in der Schulzeit [sei] noch immer unterdiagnostiziert [...] das betrifft vor allem gerade sehr intelligente Menschen, die gute Kompensationsstrategien haben."
### 2. Studium erfordere völlig neue Organisationsformen
Die fehlende Struktur des Studiums stelle eine massive Herausforderung dar: "Es gibt keinen festen Stundenplan. Die Vorlesungen haben nur selten Anwesenheitspflicht und große Hörsäle fordern die Betroffenen in der Konzentration meist sehr heraus."
### 3. Praktische Tools zeigen Wirksamkeit
Konkrete Strategien wie die Eisenhower-Matrix, Pomodoro-Technik, Noise-Cancelling-Kopfhörer und feste Routinen würden sich in der Praxis bewähren. Auch "Eat the Frog" und die 2-Minuten-Regel gegen Prokrastination werden empfohlen.
### 4. Soziale Unterstützung sei entscheidend
Familie, Lerngruppen und Kommiliton:innen könnten den Unterschied ausmachen: "Das soziale Umfeld eines ADHS Betroffenen kann wirklich [...] einen wirklichen Unterschied machen."
### 5. Studienfachwahl beeinflusse Erfolg signifikant
Dynamische, kreative Fächer in kleinen Kohorten würden sich als erfolgreicher erweisen, während "Fächer mit viel monotoner Arbeit, vielleicht sowas wie Jura oder auch die Ingenieurwissenschaften [...] häufig etwas schwieriger [gestalten]".
### 6. Frühe Diagnose verhindere Studienabbrüche
Späte Diagnosen führten zu unnötigen Leidensdruck und Studienabbrüchen. Bradtke appelliert: "Die ADHS Diagnose im Studium [...] sehr frühzeitig [zu] stellen."
## Einordnung
Der Podcast präsentiert sich als seriöses, evidenzbasiertes Informationsformat, das zwischen journalistischem Anspruch und praxisorientierter Beratung navigiert. Die Gesprächsführung bleibt professionell, ohne jedoch die Komplexität des Themas zu vereinfachen oder zu pathologisieren. Besonders positiv hervorzuheben ist die konsequente Perspektive der Betroffenen, die durchgängig als kompetente Akteure dargestellt werden – ein deutlicher Kontrast zu deficit-orientierten Diskursen. Die Expertise des Arztes wird nicht als absolute Autorität inszeniert, sondern als Erfahrungswissen kontextualisiert. Kritisch anzumerken ist jedoch, dass die Perspektive von Studierenden selbst kaum vorkommt; die Stimmen bleiben auf den Experten beschränkt. Auch die Differenzierung zwischen ADHS-Subtypen oder geschlechtsspezifischen Erfahrungen bleibt unausgelotet. Dennoch gelingt dem Format eine wertvolle Balance zwischen medizinischer Information und Hoffnungsperspektive, ohne in Versprechen oder Esoterik abzudriften.