Raport o stanie świata Dariusza Rosiaka: Raport o książkach – „Biała Pani” Siergiej Lebiediew
Russischer Schriftsteller Sergej Lebedjew über die Transformation Russlands zum Faschismus, systematische Folter und die Unfähigkeit, mit der eigenen Geschichte umzugehen.
Raport o stanie świata Dariusza Rosiaka
5138 min audioDer Podcast "Raport o stanie świata" präsentiert ein tiefgründiges Gespräch mit dem russischen Schriftsteller und Historiker Sergej Lebedjew über sein neues Buch "Biała Pani" (Die weiße Dame), das sich mit der historischen Kontinuität von Gewalt und Unterdrückung in Russland auseinandersetzt. Lebedjew vergleicht die sowjetische Vergangenheit mit dem heutigen Putin-Regime und sieht darin eine Transformation von der „Roten Bestie“ zur „Braunen Bestie“ – also von einem kommunistischen zu einem faschistischen System. Er spricht über systematische Folter in russischen Gefängnissen, die Vernichtung ukrainischer Erinnerungskultur und die moralische Verrohung der russischen Gesellschaft. Die Diskussion ist geprägt von starken Bildern und Metaphern, etwa wenn Lebedjew sagt: „Die Nacht kann lang sein. Die Dunkelheit kann lange dauern.“ Das Gespräch ist journalistisch anspruchsvoll, aber emotional aufgeladen und ohne Gegenstimmen.
### Die Transformation Russlands vom Kommunismus zum Faschismus
Lebedjew argumentiert, dass das heutige Russland nicht mehr die Zukunftsorientierung der Sowjetunion verfolge, sondern sich rückwärtsgewandt und nationalistisch positioniere. Er sieht Parallelen zum NS-Regime, etwa in der Obsession mit „Reinheit“ und „nationalem Erbe“. Zitat: „Die Sowjetunion war eine Utopie, die auf die Zukunft gerichtet war... Das heutige Russland konzentriert sich auf die Nation, die Nationalität und die russische Welt.“
### Die Rolle der Erinnerung und des Vergessens
Ein zentrales Thema ist die bewusste Zerstörung von Erinnerungskultur, etwa durch die Vernichtung von Holodomor-Denkmälern in der Ukraine. Lebedjew betont, dass Russland nicht nur Land und Menschen angreife, sondern auch deren Geschichte auslöschen wolle. Zitat: „Eines der ersten Dinge, die russische Okkupanten tun, ist die systematische Zerstörung von Holodomor-Denkmälern.“
### Die Metapher der „Zombies“ für moderne Russen
Lebedjew bezeichnet moderne Russen als „Zombies“, die sich ihrer eigenen ideologischen Leere nicht bewusst seien. Sie hätten keine Zukunft, keine Vision, nur noch Zerstörung. Zitat: „Sie haben keine Zukunft. Die Zukunft ist eine Zone der Unsicherheit und Angst.“
### Die Verantwortung des russischen Intellekts
Kritisiert wird die Haltung vieler russischer Intellektueller, die sich über russische Kriegsverbrechen „empören“, diese aber gleichzeitig relativieren oder verharmlosen. Lebedjew erinnert an die Tschetschenien-Kriege und die damals bereits sichtbaren Muster. Zitat: „Als die ersten Gräueltaten der russischen Armie bekannt wurden, taten viele russische Intellektuelle so, als wären sie schockiert.“
### Die physische Präsenz des Bösen
Lebedjew geht davon aus, dass das Bösen nicht nur metaphorisch, sondern physisch in der Welt präsent sei – etwa durch Folter, Hassrede und Gewalt. Er spricht von einem „Geruch nach Schwefel“. Zitat: „Es riecht nach Schwefel. Wir spüren die Präsenz etwas sehr Unmenschlichen.“
## Einordnung
Das Gespräch ist ein bewegendes, aber einseitig geführtes Interview. Es gibt keine Gegenpositionen, keine Einwände, keine journalistische Distanz. Die Moderatorin Agata Kasprolewicz bestätigt Lebedjew in fast allem, was sie mitunter sogar nachklingen lässt („Das ist eine sehr starke These...“). Die rhetorische Stärke Lebedjews – seine drastischen Bilder, seine klaren Feindbilder – bleibt unkommentiert. Die These vom „neuen Faschismus“ Russlands wird nicht hinterfragt, auch wenn sie historisch und politisch komplexer ist. Die Gefahr: Statt analytisch wird emotional aufgeladen, statt zu differenzieren, wird vereinfacht. Die Folge ist ein moralisches Schwarz-Weiß-Bild, das zwar aufrüttelt, aber kaum weiterhilft, um Russland, seine Geschichte und seine Gesellschaft zu verstehen. Die fehlende Selbstreflexion – etwa zur westlichen Rolle in der postsowjetischen Entwicklung – ist auffällig. Insgesamt: ein intensives, literarisch starkes, aber journalistisch oberflächliches Gespräch.
Hörwarnung: Wer eine ausgewogene Analyse zum russischen Regime oder zur Ukraine sucht, wird hier nicht fündig. Wer aber emotionale Aufrüttelung und starke Narrative mag, ist hier genau richtig.