Der NDR-Podcast „Streitkräfte und Strategien“ lädt in einer Live-Folge zum Gespräch mit dem ARD-Korrespondenten Vassili Golod. Moderiert von Kai Küstner und Stefan Niemann diskutieren sie vor Publikum in Hamburg-Bergedorf über die aktuelle Lage im Ukrainekrieg, russische Luftverletzungen an der NATO-Ostflanke, ukrainische Drohnenabwehr und die demografischen Herausforderungen des Landes. ### 1. Ukrainische Innensicht: Alltag zwischen Raketenbeschuss und Urlaubsidylle Golod berichtet von surrealen Szenen in Odessa, wo Urlauber:innen am Strand zusehen, wie ukrainische Flugabwehr russische Drohnen abschießt – und anschließend applaudiert. Die Menschen hätten sich an die Bedrohung gewöhnt, doch jeder Luftangriff reiße neue Wunden. ### 2. NATO-Ostflanke: Lücken in der Drohnenabwehr 19 russische Kampfdrohnen in Polen, drei MIG-31-Jets in Estland – Golod bestätigt die ukrainische Einschätzung, Russland teste Grenzen aus. Die NATO sei technisch und politisch schlecht vorbereitet; ukrainisches Know-how werde nicht genutzt, weil man enge Kooperation scheue. ### 3. Demografische Schieflage: Zwischen Wehrpflicht und Wirtschaftskollaps Die Ukraine ziehe erst ab 25-jährige ein, um 18-Jährige zu schonen, obwohl gerade diese dringend an der Front gebraucht würden. Der Staat fürchte weiteren Bevölkerungsverlust und wirtschaftlichen Kollaps, wenn jungen Menschen die Perspektive genommen werde. ### 4. Sanktionsdebatte: Europas Zögern und die Schattenflotte Golod moniert, EU-Sanktionen kämen zu spät und zu zögerlich. Die russische Schattenflotte könnte man mit vergleichsweise einfachen Mitteln stoppen – doch politischer Wille fehle. Eingefrorene russische Gelder sollten sofort der Ukraine zugutekommen, statt wegen möglicher Marktverwerfungen blockiert zu werden. ### 5. Persönliche Verluste: „Ich habe noch nie so oft das Wort ‚zermürbt‘ gebraucht“ Golod erzählt, wie er vom Tod eines Interviewpartners über dessen Social-Media-Profil erfuhr, und schildert Familien, die jede Nacht mit ihren Kindern in Kellern schlafen. Die psychische Belastung der Zivilbevölkerung sei enorm; viele überlegten, ins Ausland zu fliehen, obwohl sie ihr Land nie verlassen wollten. ## Einordnung Die Sendung nutzt das klassische Format der ARD-Auslandskorrespondenz: nüchterne Fakten, persönliche Eindrücke und eindeutige Botschaften. Die Moderation bleibt souverän, stellt klare Fragen und überlässt Golod die narrative Hauptrolle. Kritisch bleibt, dass keine Gegenpositionen zu Wort kommen – weder russische Perspektiven (die angesichts des Angriffskrieges kaum Platz verdienen), noch europäische Skeptiker:innen, die etwa bei Taurus-Lieferungen oder Sanktionshärte Bedenken äußern. So entsteht ein Schwarz-Weiß-Bild, das zwar journalistisch schlüssig wirkt, aber politische Komplexitäten und Risiken kaum reflektiert. Der Podcast liefert damit keine neutrale Analyse, sondern eine empathische Solidarisierung mit ukrainischen Forderungen – was angesichts des NDR-Auftrags legitim ist, jedoch Diskussion über Alternativen und Nebenwirkungen verdrängt.