Streitkräfte und Strategien: Wann weinen Sie mal, Vassili Golod? (Live-Podcast)
Live aus Hamburg: Der ARD-Korrespondent berichtet vom Alltag im Ukrainekrieg und warum die NATO seine Erfahrungen dringend bräuchte.
Streitkräfte und Strategien
57 min read2861 min audioDer NDR-Podcast „Streitkräfte und Strategien“ lädt in einer Live-Folge zum Gespräch mit dem ARD-Korrespondenten Vassili Golod. Moderiert von Kai Küstner und Stefan Niemann diskutieren sie vor Publikum in Hamburg-Bergedorf über die aktuelle Lage im Ukrainekrieg, russische Luftverletzungen an der NATO-Ostflanke, ukrainische Drohnenabwehr und die demografischen Herausforderungen des Landes.
### 1. Ukrainische Innensicht: Alltag zwischen Raketenbeschuss und Urlaubsidylle
Golod berichtet von surrealen Szenen in Odessa, wo Urlauber:innen am Strand zusehen, wie ukrainische Flugabwehr russische Drohnen abschießt – und anschließend applaudiert. Die Menschen hätten sich an die Bedrohung gewöhnt, doch jeder Luftangriff reiße neue Wunden.
### 2. NATO-Ostflanke: Lücken in der Drohnenabwehr
19 russische Kampfdrohnen in Polen, drei MIG-31-Jets in Estland – Golod bestätigt die ukrainische Einschätzung, Russland teste Grenzen aus. Die NATO sei technisch und politisch schlecht vorbereitet; ukrainisches Know-how werde nicht genutzt, weil man enge Kooperation scheue.
### 3. Demografische Schieflage: Zwischen Wehrpflicht und Wirtschaftskollaps
Die Ukraine ziehe erst ab 25-jährige ein, um 18-Jährige zu schonen, obwohl gerade diese dringend an der Front gebraucht würden. Der Staat fürchte weiteren Bevölkerungsverlust und wirtschaftlichen Kollaps, wenn jungen Menschen die Perspektive genommen werde.
### 4. Sanktionsdebatte: Europas Zögern und die Schattenflotte
Golod moniert, EU-Sanktionen kämen zu spät und zu zögerlich. Die russische Schattenflotte könnte man mit vergleichsweise einfachen Mitteln stoppen – doch politischer Wille fehle. Eingefrorene russische Gelder sollten sofort der Ukraine zugutekommen, statt wegen möglicher Marktverwerfungen blockiert zu werden.
### 5. Persönliche Verluste: „Ich habe noch nie so oft das Wort ‚zermürbt‘ gebraucht“
Golod erzählt, wie er vom Tod eines Interviewpartners über dessen Social-Media-Profil erfuhr, und schildert Familien, die jede Nacht mit ihren Kindern in Kellern schlafen. Die psychische Belastung der Zivilbevölkerung sei enorm; viele überlegten, ins Ausland zu fliehen, obwohl sie ihr Land nie verlassen wollten.
## Einordnung
Die Sendung nutzt das klassische Format der ARD-Auslandskorrespondenz: nüchterne Fakten, persönliche Eindrücke und eindeutige Botschaften. Die Moderation bleibt souverän, stellt klare Fragen und überlässt Golod die narrative Hauptrolle. Kritisch bleibt, dass keine Gegenpositionen zu Wort kommen – weder russische Perspektiven (die angesichts des Angriffskrieges kaum Platz verdienen), noch europäische Skeptiker:innen, die etwa bei Taurus-Lieferungen oder Sanktionshärte Bedenken äußern. So entsteht ein Schwarz-Weiß-Bild, das zwar journalistisch schlüssig wirkt, aber politische Komplexitäten und Risiken kaum reflektiert. Der Podcast liefert damit keine neutrale Analyse, sondern eine empathische Solidarisierung mit ukrainischen Forderungen – was angesichts des NDR-Auftrags legitim ist, jedoch Diskussion über Alternativen und Nebenwirkungen verdrängt.