Im zweiten Teil der fünfteiligen Recherche "Die Macht der Burschenschaften" begibt sich das Redaktionsduo Lucia Heisterkamp (SPIEGEL) und Antonia Rauth (DER STANDARD) ins Verbindungshaus der deutschnationalen, schlagenden Burschenschaft Libertas in Wien. Obmann Dieter Derntl führt durch die Räume, erzählt von seinem früheren „Buddy“ Walter Rosenkranz und erklärt, warum die Gemeinschaft dringend neue Mitglieder braucht. Die Journalist:innen erfahren, dass Frauen weder an Mensuren teilnehmen noch als Zuschauer:innen zugelassen sind und dass Alkohol- sowie Demütigungsrituale zum Alltag gehören. Expert:innen wie Judith Götz (Universität Innsbruck) und Bernhard Weidinger (Dokumentationsarchiv) setzen diese Beobachtungen in einen historischen und ideologischen Kontext: Burschenschaften gelten als Bastionen traditioneller Männlichkeit, reklamieren ein deutschnationales Selbstverständnis und blicken auf eine enge Verflechtung mit dem Nationalsozialismus zurück – eine Aufarbeitung, die bis heute ausbleibt. Der ehemalige Corps-Student Alexis Pascuttini bestätigt, dass Abweichungen von der Norm – etwa Homosexualität – totgeschwiegen werden; rechtsextreme Äußerungen habe er eher außerhalb der Bude wahrgenommen. Die Episode endet mit der Frage, wo bei den Verbindungen die Grenze zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus verläuft und kündigt tiefergehende Recherchen an.