Echo der Zeit: Oberstes UNO-Gericht kritisiert Israel scharf
Kurze Schlagzeilen-Analyse zu Gaza, Lateinamerika, Tidjane Thiam, Zivilschutz und Tempoblitzer – informativ, aber ohne Tiefgang.
Echo der Zeit
2396 min audioDer «Echo der Zeit»-Podcast vom 22. Oktober 2025 bietet in 40 Minuten kompakten Überblick über internationale und schweizerische Schlagzeilen. Ivan Lieberherr führt durch die Sendung. Im Fokus: der UN-Gerichtshof wirft Israel schwere Verstöße gegen humanitäres Völkerrecht in Gaza vor; China und die USA ringen um Einfluss in Lateinamerika; der frühere Credit-Suisse-Chef Tidjane Thiam darf in der Elfenbeinküste nicht zur Präsidentschaftswahl antreten; der Bundesrat will Zivilschutzanlagen modernisieren; der Kanton Aargau erschwert den Einsatz fester Radarfallen; die Berliner Kulturszene bangt um ihre Zukunft.
### Israel habe laut UN-Gericht humanitäres Völkerrecht in Gaza grob verletzt
Laut Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofs (ICJ) habe Israel „zahlreiche“ Pflichten unter der Genfer Konvention und dem Völkerrecht krass verletzt, etwa durch weitgehende Blockade humanitärer Hilfe. Gerichtspräsident Yuji Iwasawa zitiert: „The occupying power may never invoke reasons of security to justify the general suspension of all humanitarian activities.“
### USA wenden sich mit Monroe-Doktrin 2.0 gegen chinesischen Einfluss in Lateinamerika
China sei mittlerweile wichtigster Handelspartner vieler lateinamerikanischer Staaten, was in Washington Argwohn auslöse. Detlev Nolte (GIGA) konstatiert: „Man schaut schon genauer hin, wenn Konkurrenten im eigenen ‚Hinterhof‘ auftauchen.“ Trump habe die historische Doktrin wiederbelebt, um chinesische Investitionen in Häfen oder 5G zu begrenzen.
### Tidjane Thiam als ausgeschlossener „Schattenkandidat“ populär, aber nicht wählbar
Ein ivorisches Gericht untersagte dem früheren CS-Chef die Kandidatur mit dem Argument der Doppelstaatsbürgerschaft; Kritiker:innen sehen politisch motivierten Schachzug des Amtsinhabers. In der Elfenbeinküste gelte Thiam als Symbol für internationalen Erfolg, lokale Medienberichte werten sein CV als „Hoffnungsträger“, während die gescheiterte Bank in der Schweiz kaum interessiere.
### Bundesrat plant Modernisierung der Zivilschutzanlagen – Kostenfrage bleibt umstritten
Die Instandsetzung von rund 200 Schutzbauten soll 220 Mio. CHF kosten; Hausbesitzer:innen ohne Keller sollen künftig 1 400 Franken pro fehlendem Platz zahlen. Der Hauseigentümerverband hält den Betrag für „deutlich zu hoch“, während Kantonsvertreter:innen betonen: „Wir müssen abwägen: Interesse der Hauseigentümer oder Schutz der Bevölkerung.“
### Aargau verschärft durch Volksinitiative Regeln für fixe Tempoblitzer – Sicherheitsdiskussion verengt
das Parlament empfiehlt die Annahme der Initiative „Blitzer-Abzocke stoppen"; künftig dürften nur noch dreijährige Pilotanlagen bei „erheblichem Verkehrssicherheitsdefizit“ errichtet werden. Kritiker:innen werfen der rechten Mehrheit (SVP/FDP) vor, „Raser zu schützen“, während Gegner:innen der Anlagen Verunsicherung der Autofahrer:innen und „Geldmacherei“ kommunaler Blitzer betonen.
### Berliner Kulturszene fürchtet Kürzungen und Selbstzensur angesichts wachsender Rechter
Die Theatermacherin Lena Brasch berichtet von „Hilf- und Machtlosigkeit“ wegen Budgetstreichungen und politischer Verhärtung. Ihre Mutter, die Schriftstellerin Marion Brasch, klagt: „Wenn hier die Rechtsextremen immer stärker werden … dann bin ich weg.“ Künstler:innen diskutierten bereits freiwillige Selbstkontrolle, um sich sensiblen Themen wie Ukraine- und Nahost-Konflikt aus sprachlich „richtiger“ Perspektive zu nähern.
## Einordnung
Die Sendung arbeitet klassisch nach Agenda-Setting-Prinzip: Themen werden knapp angerissen, Expertise durch ein bis zwei Statements pro Beitrag illustriert, tiefergehende Kontexte bleiben ausgeblendet. Die Israel-Gaza-Berichterstattung zitiert das ICJ-Gutachten korrekt, verzichtet jedoch auf palästinensische Stimmen oder israelische Zivilgesellschaft – ein Diskurs, der sich primär über westliche und schweizerische Beobachter:innen bewegt. In der Lateinamerika-Sequenz dominiert die Große-Nachbarn-Perspektive (USA/China); die Wünsche und Erfahrungen der lateinamerikanischen Gesellschaften treten zurück. Die Aargau-Debatte um Radarfallen wird als „Kulturkampf“ zwischen „Auto-Lobby“ und Sicherheitsbefürworter:innen inszeniert, wobei die wissenschaftliche Evidenz (fixe Anlagen senken Unfallzahlen) nur am Rande Erwähnung findet. Insgesamt liefert der Podcast rasch konsumierbare Orientierung, verzichtet aber auf kritische Durchleuchtung von Machtinteressen oder strukturellen Ursachen. Die journalistische Stärke liegt in der stringenten Kürze, die Schwäche in der durchbrochenen Tiefe und der Selbstverständlichkeit, mit der Schweizer Perspektive als neutrale Beobachterrolle präsentiert wird – was angesichts der eigenen politischen und wirtschaftlichen Verflechtungen problematisch bleibt.