Carne Cruda Podcast: Derroteros: Doce, con Santiago Alba Rico (CARNE CRUDA EXTRA)
Ein spanisches Unterhaltungsmagazin erkärt, warum die Zahl Zwölf laut Santiago Alba Rico besser als ihr Ruf und überall in Kultur und Religion steckt.
Carne Cruda Podcast
1839 min audioIn der spanischen Podcast-Reihe "Derroteros" widmet sich der Philosoph Santiago Alba Rico in Folge 103 der Zahl Zwölf – und zwar als Verteidigung gegen ihre vermeintlich perfektere Konkurrentin Zehn. Er spannt einen Bogen von mesopotamischen Kalendern über biblische Apostel bis zur modernen Zeit und erzählt, warum Kulturen die 12 als besonders „harmonisch, offen und expansiv“ verstanden hätten. Dabei betont er die praktischen Vorteile: Sie lasse sich durch 2, 3, 4 und 6 teilen, während 10 nur durch 2 und 5. Besondere Beachtung finden auch duodecimale Zeitmessung in Skandinavien sowie spirituelle Systeme von Pythagoras bis Gurdjieff. Moderiert wird das zwanglose Gespräch von Violeta Muñoz und Javier Gallego „Crudo", das durch wiederholte Spendenappelle für das hörerfinanzierte Magazin gerahmt ist.
### 1. Die 12 als universelles Ordnungsprinzip
Alba Rico behauptet, die Zahl 12 sei „in fast allen großen Kulturen“ zentral: „187 Mal“ komme sie in der Bibel vor, die 12 Stämme Israels, Apostel, Monate, Tierkreiszeichen und Stunden strukturierten Religion, Kalender und Astronomie. Die Wurzeln liegen seiner Darstellung zufolge im altägyptischen und mesopotamischen Kalender, der das Jahr in zwölf Monate teilte – ein System, das sich „durch alle Zivilisationen“ verbreitete.
### 2. Mathematische Überlegenheit gegenüber der 10
Der Philosoph argumentiert, die Zwölf „habe viel mehr Möglichkeiten“ als die Zehn, weil sie durch mehr Zahlen teilbar sei: „Der 10 kann man nur durch 2 und 5 teilen, der 12 jedoch durch 2, 3, 4 und 6.“ Diese „vielseitige Kombinatorik“ habe die Zahl in vielen Rechnungssystemen – etwa bei den Babyloniern – zur Basis gemacht.
### 3. Symbolik von Vollkommenheit und Harmonie
Alba Rico stellt die 12 als „erste Zahl, die mit Vollkommenheit assoziiert wurde“, obwohl später die 10 diese Rolle übernahm. Pythagoras habe sie als „Zahl der Harmonie“ verehrt, der Mystiker Gurdjieff sogar als Schlüssel zur „Wahrheit“. Sie stehe damit für „Entwicklung, Offenheit, Möglichkeit“, während 10 für „Abschluss und Perfektion“ stehe.
### 4. Kulturelle Re-Importe und moderne Relikte
Einige skandinavische Länder nutzten laut Alba Rico „an Stelle von 60 Minuten zwölf Zeit-Einheiten“, eine Reminiszenz an das duodecimale System. Diese „Rückstände“ zeigten, dass die 12 „in einer Zeit, in der die 10 König ist“, eine „Wieder-Wertschätzung“ verdiene.
## Einordnung
Die Folge steht stilistisch zwischen Wissensmagazin und essayistischem Unterhaltungsformat; journalistische Gegenfragen oder kritische Einordnungen fehlen. Alba Rico verbreitet kulturhistorische Fakten mitunter pauschal („durch alle Zivilisationen“), ohne Quellen zu nennen oder wissenschaftliche Kontroversen anzusprechen – etwa zur tatsächlichen Verbreitung duodecimaler Zählungen oder zur religionsvergleichenden Zahlensymbolik. Die Moderation übernimmt affirmierende Moderationshilfen („ein expansiver, offener Zahl“) und wiederhlt Appelle für Hörer-Gelder. Inhaltlich bleibt alles im akademisch Unverdächtigen: Esoterische Deutungen von Gurdjieff werden als „interessant“ präsentiert, nicht als Wahrheitsanspruch verkauft. Diskursiv dominiert eine eurozentrische Perspektive (Bibel, Griechen, Römer, skandinavische Gegenwart), während etwa mathematische Traditionen Chinas oder meso-amerikanischer Kulturen nur am Rande streifend erwähnt werden. Die Sendung bietet entspannten Konsum für Zahlen-Fans, wirbt aber gleichzeitig um finanzielle Unterstützung – ein Spendenmodell, das hier ohne kritische Selbstreflexion präsentiert wird. Wer sich für kulturhistorische Glossierungen im Plauderton interessiert, kann hier unbedenklich reinhören; wer systematische Historizität oder wissenschaftliche Tiefe erwartet, bleibt unterversorgt.