Der Deutschlandfunk-Kultur-Podcast "Breitband" behandelt zwei Themen: die Internet-Subkultur der "Groypers" im Kontext des Mordes an dem US-Rechtsextremisten Charlie Kirk sowie die EU-weite Einführung von "Smart Borders" an deutschen Grenzen. Die Moderation liegt bei Vera Linz, die Redakteur:innen Benedikt Wenck und Hagen Terschüren recherchieren jeweils eines der Themen. ### 1. Die Groypers – eine ironisch-verhüllte rechte Online-Subkultur Die Groypers seien eine vor allem von Nicholas Fuentes getragene rechte Bewegung, die sich durch "Ironie" und Memes auszeichne. Sie nutzen angeblich "Humor", um menschenfeindliche Positionen salonfähig zu machen und die Grenzen des Sagbaren nach rechts zu verschieben. Der mutmaßliche Mörder von Charlie Kirk habe sich möglicherweise mit dieser Szene identifiziert, wobei die Indizien laut Jakob Gul (ISD) vage blieben: "Es gibt diverse Recherchen … genau wissen tun wir es aber noch nicht." ### 2. Radikalisierung findet laut Experten ausschließlich online statt Matthias Heider (IDZ) erklärt, dass es "keine reine Offline-Radikalisierung mehr" gebe. Junge Männer würden über Gaming- und Meme-Communities sozialisiert und durch kodierte Sprache in eine Parallelwelt hineingezogen. Die Gruppierung nutze gezielt popkulturelle Referenzen, um ein Gemeinschaftsgefühl zu schaffen und neue Mitglieder zu rekrutieren. ### 3. Strategische Kulturarbeit als Vorbereitung auf Machtübernahme Jakob Gul zufolge folgten manche rechtsextremen Akteure der Annahme, vor einer "autoritären Umgestaltung" müsse man die Kultur prägen: "Man muss die Art und Weise beeinflussen, wie Menschen die Welt sehen", etwa über Memes, Humor und Kampagnen. Diese Strategie dürfe nicht als "Einzelphänomen" abgetan werden. ### 4. Kritik an Politikjournalismus: Online-Kultur wird vernachlässigt Hagen kritisiert, klassische Politikressorts würden digitale Subkulturen weiter ignorieren, obwohl sie massiv Einfluss auf Wahlen und politische Debatten hätten. Whitney Phillips (U Oregon) ergänzt, US-Journalist:innen lernten erst durch Donald Trump, "how these online communities function". Viele Fehlinterpretationen – etwa die Gamergate-Frauenfeindlichkeit als "Ethik im Spielejournalismus" zu verkaufen – zeigten mangelnde Recherchetiefe. ### 5. Smart Borders: EU-weite Biometrie-Speicherung für Drittstaatler Anna Aden erläutert, dass das neue EU-System ESS (Entry/Exit System) ab Oktober 2025 alle Nicht-EU-Bürger:innen erfasse, ihre biometrischen Daten drei Jahre speichert und Grenzkontrollen vollständig automatisiert. Kritisiert wird daran eine "anlasslose Vorratsdatenspeicherung", da die Speicherdauer von ursprünglich geplanten sechs Monaten auf drei Jahre erhöht wurde. Betroffene sollen künftig über Web-Portale prüfen können, wie lange ihre Aufenthaltsfrist noch läuft. ### 6. Diskriminierende Sortiermaschine Grenze Aden beschreibt die Grenzen als "Sortiermaschinen", die Mobilität privilegierter Kreise erleichtern und andere erschweren. Die Kombination verschiedener EU-Datenbanken mache es für Betroffene fast unmöglich nachzuvollziehen, welche Informationen gespeichert seien und wie sich Fehler korrigieren ließen. Die Entwicklung betreffe langfristig auch EU-Bürger:innen, da bereits Fluggastdaten aller Passagiere vorab übermittelt würden. ## Einordnung Die Sendung arbeitet gründlich recherchiert und lässt Expert:innen sowie Betroffene zu Wort kommen; sie erfüllt journalistische Standards. Besonders wertvoll ist, dass sie eine bislang vielen Hörer:innen unbekannte rechte Online-Szene sachlich entschlüsselt und zeigt, wie ihre Kommunikationsstrategien funktionieren. Gleichzeitig gelingt der Blick auf Smart Borders als diskriminierendes Machtinstrument, ohne in Technikpessimismus zu verfallen. Die Kritik am deutschen Politikjournalismus bleibt konstruktiv: Die strikte Ressorttrennung zwischen Politik und Kultur verhindere, dass digitale Phänomene frühzeitig auf politischer Ebene verstanden würden. Einzig die Idee einer „prodemokratischen Trollarmee“ wirkt unterkomplex, da sie digitale Gegenöffentlichkeit auf Humor und Memes reduziert und strukturelle Ursachen wie soziale Ausgrenzung und mangelnde psychische Versorgung nur streift. Insgesamt liefert der Podcast eine klare Empfehlung für mehr Medienkompetenz, bessere journalistische Vernetzung und eine kritische Auseinandersetzung mit Überwachungstechnologien. Perspektivisch wünschenswert wären noch Stimmen von Aussteiger:innen sowie Betroffenen von Smart Borders, um die Auswirkungen lebendiger zu machen.