This American Life: 245: Allure of the Mean Friend

Eine faszinierende, aber oberflächliche Reise durch die Psychologie der gemeinen Freund:innen – mit viel Storytelling, aber wenig Kritik an den Strukturen, die solche Machtspiele ermöglichen.

This American Life
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In der Wiederholung der Folge "The Allure of the Mean Friend" erzählt *This American Life* in vier Akten, warum Menschen sich zu offensichtlich gemeinen, aber beliebten Personen hingezogen fühlen – vom Schulhof bis ins Erwachsenenleben. Jonathan Goldstein konfrontiert seine ehemalige Klassenkameradin Jackie Cohen und deren noch dominantere Schwester Maureen, die ihre Machtspielchen aus der Schulzeit unverblümt rechtfertigen. Ein Experiment in einem Chicagoer Café testet, ob freundliches Verhalten Trinkgelder steigert – mit ernüchterndem Ergebnis. Mike Albos Monolog zeigt, wie scheinbare Freundschaften sich in subtile Demütigung verwandeln, während Bernard Coopers Geschichte von der Rechnung seines Vaters über zwei Millionen Dollar für die Kosten seiner Kindheit handelt – ein radikaler Akt emotionaler Kälte. ### 1. Die Attraktivität von Macht und Grausamkeit Die Mädchen, die in der Schule andere mobben, seien nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer Härte beliebt. Lillie Allison beschreibt, wie Machtspiele zur sozialen Norm werden: "once people get the idea that they have that power they're going to use it and they know that they can be mean to people and still be loved by everyone". ### 2. Die Verharmlosung von Mobbing als Charakterstärke Jackie Cohen und ihre Schwester Maureen relativieren ihre damaligen Taten als notwendige Durchsetzungsfähigkeit. Maureen rechtfertigt sogar psychologische Gewalt: "some people like to be abused" – eine Formulierung, die Gewaltverhältnisse naturalisiert und Täter:innen zu Opfern ihrer Umgebung macht. ### 3. Das Scheitern von Freundlichkeit im Dienstleistungssektor Ein Experiment mit versteckten Mikrofonen zeigt, dass freundliches Verhalten von Kellnerinnen nicht höhere Trinkgelder bringe. Die Erkenntnis: "It's not that aloofness pays. It's that niceness doesn't pay." – ein Befund, der Effizienz über Empathie stellt. ### 4. Die fortgesetzte Dynamik emotionaler Ausbeutung Mike Albos Text inszeniert eine Freundschaft, in der jedes Kompliment eine Demütigung ist: "You're so crazy" wird zur Belehrung, Erfolgsmeldungen zur Abwertung. Auch Bernard Coopers Vater nutzt eine Rechnung, um Liebe in Schulden zu verwandeln – eine Metapher für emotionale Kälte als Kontrollmittel. ## Einordnung Die Episode inszeniert die Faszination für Macht und Grausamkeit als universelles Phänomen – ohne die gesellschaftlichen Bedingungen zu hinterfragen, die solche Dynamiken erst ermöglichen. Die Rückkehr zu den Täter:innen und ihre unreflektierten Rechtfertigungen bleiben weitgehend unkommentiert; stattdessen wird die Perspektive der Betroffenen marginalisiert. Das Experiment im Café präsentiert einzelne Beobachtungen als vermeintlich objektive Wahrheit über menschliches Verhalten, ohne die strukturellen Rahmenbedingungen wie Lohnabhängigkeit oder Kundenmacht zu thematisieren. Die Geschichte von Coopers Vater wiederum verweist auf die Verletzlichkeit in familiären Beziehungen, bleibt aber in der individuellen Ebene. Insgesamt bleibt der Fokus auf das Spektakuläre der Machtspiele – eine narrative Strategie, die die Auseinandersetzung mit Verantwortung und gesellschaftlicher Verankerung vermeidet.