Die spanische Podcast-Episode "Pueblos abandonados a su suerte y vecinos obligados a irse o jugarse la vida" von Carne Cruda berichtet vor Ort aus dem von Waldbränden besonders betroffenen Bierzo in der Provinz León. Moderator:innen Javier Gallego "Crudo" und Violeta Muñoz sprechen mit Betroffenen, Feuerwehrleuten, Umweltexperten und lokalen Initiativen. Sie zeichnen das Bild einer Katastrophe, die nicht nur durch den Klimawandel, sondern vor allem durch politische Versäumnisse, fehlende Prävention und Privatisierung von Feuerwehrleistungen verursacht wurde. Die Sendung wirft den Regionalregierungen vor, die Bevölkerung im Stich gelassen und die Verantwortung auf Einzeltäter oder Umweltorganisationen abgewälzt zu haben. Die Folge ist ein Plädoyer für eine demokratische, öffentlich finanzierte und nachhaltige Waldpflege – und für ein solidarisches Miteinander der ländlichen Bevölkerung. ### 1. Die Brände seien nicht nur Naturkatastrophen, sondern politische Skandale Die Moderation und Interviewpartner:innen werfen der Regionalregierung von Castilla y León vor, jahrelang auf Warnungen von Fachleuten vor stärkeren Bränden und mehr Personal nicht reagiert zu haben. Die Behörden hätten trotz steigender Gefahren den Etat für Prävention und Löschdienst gekürzt und auf billige Privatanbieter gesetzt. Die Folge: chaotische Einsätze, in denen Freiwillige mit unzureichender Ausrüstung gegen „Feuer der sechsten Generation“ kämpfen mussten. ### 2. Die lokale Bevölkerung habe sich im Alleingang verteidigen müssen Bauern, Imker:innen und Dorfbewohner:innen berichten, wie sie mit Traktoren, Gartenpumpen und selbstgebauten Feuerlöschern ihre Dörfer retteten, während offizielle Einsatzkräfte stundenlang ohne Befehl in Industriegebieten warteten. Viele erlebten den Einsatz der Guardia Civil als Bedrohung: Sie seien gezwungen worden, ihre Häuser zu verlassen, statt beim Löschen zu helfen. ### 3. Die rechte Politik nutze die Katastrophe für verschwörerische Erzählungen Die Sendung kritisiert, dass konservative und rechtspopulistische Politiker:innen trotz eigener Kompetenz für den Brandschutz die Schuld auf „Umweltterroristen“, „Piro-Maos“ oder den Zentralstaat abwälten. Dabei seien die meisten Brände durch extreme Trockenheit und Hitze entstanden. Die Moderation nennt das „Strategie der doppelten Verdrehung: Erst das Problem verursachen, dann die Schuld bei Schwächeren suchen.“ ### 4. Die Privatisierung der Waldbrandbekämpfung gefährde Menschenleben Ein Gewerkschaftsvertreter erklärt, dass die Regionalregierung Brandschutzaufträge an den billigsten Bieter vergebe. Die Folge: Saisonverträge für fünf Monate, Löhne knapp über dem Mindestlohn, mangelhafte Ausrüstung und kaum Schulung. Fachkräfte würden abwandern, während die Verantwortlichen in der Verwaltung unbehelligt blieben. ### 5. Die ökologischen Folgen seien irreversibel Eine Botanikerin warnt, dass Jahrhunderte alte Buchenwälder, seltene Orchideen und ganze Ökosysteme unwiederbringlich verloren seien. Die schnelle Wiederaufforstung mit Fichten-Monokulturen, wie sie Forstwirtschaftslobby und Regionalregierung befürworten, verschärfe nur das Problem: Sie brennen leichter ab und bieten Tieren und Pflanzen keine Heimat. ### 6. Die Rettung liege in einer solidarischen, ländlichen Bewegung Trotz Wut und Trauer steht am Ende die Botschaft: Die Betroffenen wollen ihre Lebensräume selbst in die Hand nehmen. Sie fordern einen öffentlichen, ganzjährigen Brandschutz, eine demokratische Waldpolitik und finanzielle Hilfe, die über einmalige 500-Euro-Zahlungen hinausgeht. Die Episode endet mit dem Appell: „Votad con cabeza – wählt mit Verstand“ und mit dem Lied „Sal a bailar“ – ein Auftrag, trotz allem nicht aufzugeben. ## Einordnung Carne Cruda praktiziert hier investigativen Journalismus mit klarer Haltung: Die Sprecher:innen recherchieren vor Ort, lassen unterschiedliche Perspektiven zu und machen strukturelle politische Verantwortlichkeiten sichtbar. Besonders bemerkenswert ist, wie konsequent sie rechte und neoliberale Deutungsmuster entlarven – etwa die Fokussierung auf angebliche Brandstifter oder die Privatisierung öffentlicher Sicherheit. Gleichzeitig vermeiden sie es, die Betroffenen zu Opfern zu stilisieren; stattdessen zeigen sie deren Handlungsfähigkeit. Der Ton ist emotional, aber nicht sensationell. Die Sendung nutzt Musik und persönliche Geschichten, um eine Region sichtbar zu machen, die in der spanischen Berichterstattung oft nur als „leere Spanien“ auftaucht. Kritisch anzumerken ist, dass einige politische Akteure namentlich genannt und scharf angegriffen werden – was in einem so polarisierten Feld zwar nachvollziehbar ist, aber juristische oder parteipolitische Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Insgesamt liefert die Episode eine wichtige Gegenöffentlichkeit zu einer Katastrophe, die sonst schnell aus dem Blickfeld rutscht.