Hart aber fair: Leg doch mal das Handy weg! Sind wir machtlos gegen Social Media?
Senatorin Katja Kipping spricht über Filterblasen, Tech-Macht und das Berliner Pilotprojekt zur digitalen Altersprüfung bei Social Media.
Hart aber fair
4471 min audioDer Podcast "Die Sendung zum Mitnehmen" behandelt in der Folge „Soziale Medien, KI & Co: Wie viel Digitalisierung verträgt unsere Gesellschaft?“ die Chancen und Risiken sozialer Medien sowie die Berliner Initiative zur Einführung einer Altersfreigabe für Plattformen. Moderiert wird das knapp 13-minütige Gespräch mit der Berliner Senatorin Katja Kipping (Integration, Arbeit, Soziales), die ein Pilotprojekt für digitale Altersverifierung leitet.
### 1. Nutzen sozialer Medien für marginalisierte Gruppen
Kipping betont, dass soziale Medien Menschen mit seltenen Erkrankungen oder Migrationshintergrund ermöglichen, sich über große Distanzen zu vernetzen und Mehrheitsdiskurse zu erweitern. Sie spricht von einem „Riesenvorteil“ und „demokratischer Öffentlichkeit", weil „verschiedene Perspektiven auch zu Wort kommen, die es in der analogen Welt vielleicht nicht immer so einfach haben.
### 2. Algorithmen fördern Emotionen und Falschmeldungen
Die Gesprächspartner:innen sind sich einig, dass Plattform-Algorithmen auf Verweildauer optimiert seien und deshalb „möglichst emotionale Inhalte“ bevorzugen. Kipping warnt, diese Mechanik lasse Falschmeldungen viral werden, weil „sich diese Falschmeldungen … oft polarisierend“ zeigten und „sehr schnell verbreiten“.
### 3. Filterblasen verstärken gesellschaftliche Spaltung
Soziale Medien spalten laut Kipping „nicht“ per se, sie könnten „die schon vorhandene Spaltung unserer Gesellschaft verstärken“. In „Blasen“ würden Nutzer:innen „immer nur mit Inhalten konfrontiert, die die eigene Meinung bestätigen“, was die Fähigkeit zur Faktenchecks schwäche und „eine große Gefahr für die Demokratie“ darstelle.
### 4. Tech-Konzerne besitzen zu viel Meinungsmacht
Die Senatorin kritisiert Monopolstellungen großer Tech-Konzerne, die „eine große Macht haben über unsere Meinungsbildung“. Trotz des Digital Services Acts fordert sie weitere Maßnahmen, „dass diese großen Plattformen … eine Verantwortung haben … gegen Falschmeldungen vorzugehen“.
### 5. Pilotprojekt zur Altersfreigabe mit digitaler ID
Berlin testet ein Modell, bei dem sich Nutzer:innen zur Altersprüfung „authentifizieren“ sollen, etwa über „eine Art digitalen Ausweis“. Ziel sei es, sicherzustellen, „dass nur die Personen auf die Plattformen zugreifen, die auch das entsprechende Alter haben“, und europaweite Nachahmung wird angestrebt.
### 6. Datenschutz und Akzeptanz als zentrale Herausforderung
Kipping räumt ein, „eine der größten Herausforderungen ist natürlich die Akzeptanz“, da Privatsphäre und Sicherheit „miteinander vereint“ werden müssten. Sie argumentiert, „es ist eine Möglichkeit, die Freiheit zu schützen“, weil sich Nutzer:innen „in einem sicheren Umfeld bewegen“ könnten.
## Einordnung
Die Folge wirkt wie ein klassisches Politik-Format: kurze, klar strukturierte Fragen, knappe Antworten und keine konfrontativen Nachfragen. Die Moderation bleibt auf Einvernehmlichkeit bedacht, sodass weder die Machtstrukturen innerhalb der Koalition noch grundlegende Datenschutz- und Freiheitsfragen zur Alters-ID kritisch durchleuchtet werden. Widersprüche – etwa zwischen dem Bekenntnis zur Meinungsvielfalt und dem Wunsch nach stärkerer Plattform-Kontrolle – bleiben unadressiert. Kippings Argumentation folgt einer einfachen Polarisierung: „gute Vernetzung“ versus „böse Filterblase“, wobei algorithmische Zusammenhänge und ökonomische Interessen der Plattformen nur oberflächlich skizziert werden. Die Perspektive von Expert:innen für Datenschutz, Kinder- und Jugendmedienschutz oder von betroffenen Jugendlichen selbst fehlt vollständig; ebenso eine Auseinandersetzung mit alternativen, nicht-staatlichen Ansätzen zur Medienkompetenz. Der Diskussionsrahmen bleibt damit eng polit-administrativ und unterstützt eine Deutung, die staatliche Altersverifikation als „Freiheitsschutz“ präsentiert, ohne potenzielle Folgen für Privatsphäre, Meinungsfreiheit oder digitale Exklusion zu hinterfragen.