In diesem Podcast diskutieren die Gründer von 404 Media, Joseph Cox, Sam Cole und Emanuel Maiberg, zwei aktuelle Technologie-Geschichten aus ihrer Berichterstattung. 404 Media ist ein abonnementbasiertes Journalismus-Startup, das sich auf Technologie- und Überwachungsthemen spezialisiert hat. ### KI-Scraper bedrohen öffentliche Archive und Bibliotheken Emanuel Maiberg berichtet über die massive Belastung öffentlicher Online-Ressourcen durch KI-Trainingsdaten-Scraper. Diese automatisierten Bots würden Bibliotheken, Museen und universitäre Archive mit Millionen von Anfragen pro Tag bombardieren und dadurch die Websites zum Absturz bringen. Maiberg erklärt: "Es gäbe so viele Unternehmen, die das jetzt machen, und sie machen es so schnell, dass wenn du nur eine Universität oder sogar eine große Universität mit einer Online-Bibliothek bist, all diese Bots plötzlich deine Website treffen." ### Open-Source-Lösung "Anubis" als Gegenwehr Als Lösung stellt Maiberg die Open-Source-Software "Anubis" vor, entwickelt von Shie Yasuo, nachdem ihre eigenen Git-Server von Amazon-KI-Scrapern lahmgelegt wurden. Das Tool nutze eine kryptographische Überprüfung, die seit 2022 in Webbrowsern Standard sei, um echte menschliche Nutzer von automatisierten Bots zu unterscheiden. Die Entwicklerin habe ihm erklärt, dass es für KI-Unternehmen "zu rechnerisch teuer" wäre, Chrome zu simulieren, nur um auf Websites zuzugreifen. ### ICE nutzt neue Gesichtserkennungs-App im Feld Joseph Cox berichtet über durchgesickerte E-Mails, die zeigen, dass die US-Einwanderungsbehörde ICE eine neue Gesichtserkennungs-App namens "Mobile Fortify" einsetze. Diese erlaube es ICE-Agenten, Menschen durch simples Vorhalten ihres Smartphones zu identifizieren. Cox beschreibt Videos von ICE-Razzien, in denen Beamte systematisch ihre Handys in die Gesichter von Personen hielten. ### Biometrische Datenbank aus Grenzkontrollen Die App nutze laut den E-Mails das "Traveler Verification Service" der Grenz- und Zollbehörde CBP, das biometrische Daten aller Personen sammle, die in die USA ein- oder ausreisen. Cox zitiert: "Die App nutzt CBPs Traveler Verification Service und den Seizure and Apprehension Workflow, der die biometrische Galerie von Personen enthält, für die CBP belastende Informationen für die Gesichtserkennung bereithält." ## Einordnung Der Podcast zeigt exemplarisch, wie sich die Machtverhältnisse im digitalen Raum verschoben haben. Während öffentliche Institutionen wie Bibliotheken und Museen - traditionelle Hüter des Gemeinwohls - durch private KI-Konzerne in ihrer Grundfunktion bedroht werden, rüsten Überwachungsbehörden mit immer invasiveren Technologien auf. Die Diskussion folgt einem techno-solutionistischen Frame: Technische Probleme erfordern technische Lösungen, gesellschaftliche Machtfragen bleiben ausgeblendet. Bei Anubis wird die Open-Source-Community als Hoffnungsträger inszeniert, während strukturelle Fragen - wer kontrolliert die digitale Infrastruktur, wer profitiert von Datensammlung - nicht gestellt werden. Besonders problematisch ist die unkritische Normalisierung von Massenüberwachung. Die ICE-Geschichte wird zwar als "shocking" beschrieben, aber die Diskussion bleibt auf technische Details fokussiert. Dass eine Bundesbehörde ohne Gerichtsbeschluss Menschen auf der Straße identifiziert und diese Daten mit Einwanderungsstatus verknüpft, wird als technologische Entwicklung statt als Angriff auf Grundrechte gerahmt. Die Perspektive der Betroffenen - Menschen ohne Papiere, die sich nicht mehr sicher auf der Straße bewegen können - fehlt völlig. Die Hörerschaft wird als technisch versiert und medienkritisch adressiert, aber politische Einordnung bleibt oberflächlich. Während die Berichterstattung faktisch solide erscheint, reproduziert der Diskurs die Logik des Überwachungskapitalismus: Technologie als neutrales Werkzeug, das nur richtig eingesetzt werden muss.