Better Offline: The Hater's Guide To The AI Bubble, Pt, 2
Eine schonungslose Analyse der wirtschaftlichen Realität im KI-Sektor - warum praktisch alle Generative-AI-Unternehmen unprofitabel sind und ein Kollaps bevorsteht.
Better Offline
49 min read2272 min audioEd Zitron setzt in der zweiten Folge seiner dreiteiligen Serie über die KI-Blase seine Analyse fort und widmet sich der wirtschaftlichen Realität von Generativ-KI-Unternehmen. Der Better-Offline-Host argumentiert im Kern, dass es sich bei der aktuellen KI-Euphorie um eine grundlegend andere Situation als bei vergangenen Tech-Booms handelt - und warnt vor einem bevorstehenden wirtschaftlichen Kollaps im KI-Sektor.
### Generative KI sei keine Infrastruktur wie AWS
Zitron widerspricht vehement dem Vergleich zwischen Large Language Models und Amazon Web Services. Während AWS echte Infrastruktur-Bedürfnisse löse, die bereits existierten, seien LLMs "mehr wie ein Feature von Cloud-Infrastruktur als die Infrastruktur selbst". AWS habe aus der Notwendigkeit heraus funktioniert, Amazons eigene massive Infrastruktur-Anforderungen zu bewältigen. Generative KI hingegen tue "was Generative KI eben tut - und das war's auch schon". Die Vielseitigkeit und Flexibilität von AWS stehe in starkem Kontrast zur begrenzten Funktionalität von LLMs.
### Es gäbe praktisch keine profitablen KI-Unternehmen
Abgesehen von Midjourney, das 2022 Profitabilität beanspruchte, seien "alle anderen LLM-Modell-Unternehmen unprofitabel, oft dramatisch so". Nur 12 Generativ-KI-Unternehmen würden über 100 Millionen Dollar annualisierte Einnahmen erzielen - "8,3 Millionen Dollar pro Monat". Zum Vergleich: HubSpot habe 2,63 Milliarden Dollar Jahresumsatz. Selbst OpenAI mit 10 Milliarden Dollar annualisiertem Umsatz und Anthropic mit 4 Milliarden würden "Milliarden pro Jahr nach Umsatz verlieren".
### Das Cursor-Beispiel entlarve ein unhaltbares Geschäftsmodell
Zitron analysiert ausführlich AnySphere's Coding-App Cursor, die 500 Millionen Dollar annualisierten Umsatz erreichte. Cursors Wachstum sei jedoch "das Ergebnis eines unhaltbaren Geschäftsmodells" gewesen. Das Unternehmen habe dramatische Preiserhöhungen und Nutzungsbeschränkungen eingeführt, wodurch "das, was Nutzer früher für 20 Dollar bekamen, viel, viel, viel kleiner" geworden sei. Auf Reddit seien Nutzer "wütend über die Veränderungen". Zitron interpretiert dies als Beweis dafür, dass "Cursors Wachstumsgeschichte eine verdammte Lüge war".
### OpenAI und Anthropic würden ihre eigenen Kunden ausbeuten
Die großen Modell-Anbieter seien "tatsächlich die größte Bedrohung für ihre Geschäftskunden". Sie könnten "willkürlich Preise, Service-Verfügbarkeit und Funktionalität ändern", wie am Cursor-Beispiel zu sehen sei. Anthropic habe im Mai Service-Tiers mit Priority-Pricing eingeführt, speziell auf "Cash-heavy Produkte wie Cursor" ausgerichtet. Diese Unternehmen würden "aktiv nach Erfolgsgeschichten suchen, um so viel wie möglich von ihnen zu erbeuten, bevor sie ihre Produkte kopieren".
### "Agents" seien reine Irreführung
Der Begriff "Agent" sei "einer der ungeheuerlichsten Betrugsfälle" in Zitrons Karriere. Salesforce's "Agent Force" sei "ein verdammtes Chatbot-Programm", keine autonomen Agenten. OpenAIs eigene "Agents" hätten in Demos versagt - eine Baseballstadion-Karte habe "jedes einzelne große Baseballstadion an der Ostküste" ausgelassen und "zufällige hinzugefügt, wie eines mitten im Golf von Mexiko". Jedes Unternehmen, das den Begriff "Agent" verwende, meine wahrscheinlich "Chatbot".
## Einordnung
Zitrons Analyse folgt einer klaren argumentativen Struktur: Er dekonstruiert systematisch die Vergleiche und Narrative der KI-Industrie, untermauert seine Thesen mit konkreten Zahlen und Fallstudien und nutzt eine pointiert-sarkastische Rhetorik, die seine Verachtung für Brancheneuphemismus deutlich macht. Seine Herangehensweise ist investigativ-journalistisch geprägt - er verweist auf konkrete Daten, Zeitlinien und Reddit-Diskussionen als Belege. Besonders bemerkenswert ist seine Analyse der Cursor/Anthropic-Dynamik, die ein klassisches Beispiel für Plattform-Kapitalismus darstellt: Der Plattformbetreiber nutzt seine Marktmacht aus, um profitable Kunden auszubeuten. Zitron identifiziert hier eine strukturelle Schwäche des KI-Ökosystems, in dem wenige Modell-Anbieter eine oligopolistische Position innehaben. Seine Kritik an der Medienberichterstattung ("Wo sind all die Tech-Journalisten?") deutet auf fehlende kritische Distanz in der Branchenberichterstattung hin. Die rhetorische Strategie ist bewusst provokativ - Begriffe wie "Betrug", "Lüge" und derbe Ausdrücke sollen Aufmerksamkeit erzeugen und die Dringlichkeit seiner Warnung unterstreichen. Dies ist charakteristisch für populäre Technikskeptiker, die komplexe wirtschaftliche Zusammenhänge für ein breiteres Publikum zugänglich machen wollen. Hörer:innen sollten bedenken, dass Zitrons dezidiert pessimistische Perspektive eine wichtige Gegenerzählung zu Branchenoptimismus bietet, aber eben auch nur eine Perspektive in einer komplexen Debatte darstellt.