Die Deutschlandfunk-Dokumentation "Die eiserne Lady. Warum Margaret Thatcher bis heute polarisiert" zeichnet das Leben und politische Erbe der britischen Premierministerin Margaret Thatcher (1979-1990) nach. Die Autorin Gabi Biesinger porträtiert Thatcher als polarisierende Figur, die Großbritannien von einem "kranken Mann Europas" zu einem neoliberalen Vorreiter transformierte. Die Dokumentation beleuchtet Thatchers Aufstieg von bescheidenen Verhältnissen in Grantham über ihre konservative Revolution bis zu ihrem Sturz 1990. Kernpunkte sind ihre Privatisierungspolitik, der harte Kampf gegen die Gewerkschaften, die Zerstörung der Bergbauindustrie und die sozialen Folgen ihrer Politik. Die Autorin interviewt sowohl Bewunderer als auch Kritiker, darunter Historiker, Wirtschaftswissenschaftler und ehemalige Bergarbeiter, die ihre Politik als "unbarmherzig" und "spaltend" kritisieren. Die Dokumentation zeigt, wie Thatchers Politik bis heute Großbritannien prägt und die Gesellschaft tief gespalten hat. ### 1. Thatchers neoliberale Revolution habe Großbritannien grundlegend umgestaltet Die Dokumentation zeigt, wie Thatcher ab 1979 eine rigide neoliberale Politik umsetzte: Privatisierungen von Staatsunternehmen, Kürzungen sozialer Leistungen und Steuersenkungen für Reiche. Wirtschaftsprofessor Kevin Albertson kritisiert: "Die Reichen sind unter ihr sehr viel reicher geworden, aber den ärmsten 10 % ging es anschließend schlechter." Die Autorin hebt hervor, dass Thatcher dabei das Versprechen des "Trickle-Down-Effekts" nicht einlösen konnte. ### 2. Der Kampf gegen die Gewerkschaften habe ganze Regionen deindustrialisiert Die Dokumentation schildert ausführlich den jahrelangen Konflikt mit den Bergarbeitergewerkschaften. Historiker Dominic Gappert erklärt: "Es waren wahrscheinlich eine große Mehrheit der Briten hinter den Gewerchaftsreformen gestanden." Doch die Autorin zeigt auch die menschlichen Kosten: Ganze Gemeinden wie Wrexham verloren ihre industrielle Basis. Ehemaliger Bergarbeiter Eddie Pool berichtet: "She closed two breweries, the mine closed. All the industry, we weren't making nothing." ### 3. Thatcher habe bewusst Polarisierung als politische Strategie genutzt Die Dokumentation zeigt, wie Thatcher systematisch innere und äußere Feinde aufbaute - von den Argentiniern über die Gewerkschaften bis zum "europäischen Superstaat". Gappert analysiert: "Immer sozusagen die Kräfte des Lichts und die Kräfte der Finsternis und Margaret Thatcher in ihrer Meinung stand eben immer auf der Seite der Kräfte des Lichts." Diese Strategie habe zunächst zu politischen Erfolgen, später aber zu ihrer Isolation geführt. ### 4. Die Geschlechterpolitik der ersten britischen Premierministerin sei widersprüchlich gewesen Trotz ihres Durchbruchs als erste Frau in diesem Amt distanzierte sich Thatcher laut Geschichtsprofessorin June Purvis bewusst von feministischen Themen: "She liked to exercise power in an elitist way." Die Autorin zeigt, wie Thatcher sich weiblicher Kleidung bediente, um weiblicher zu wirken, während sie gleichzeitig Gleichstellungsfragen ignorierte. ## Einordnung Die Dokumentation zeigt sich als ausgewogenes, professionell recherchiertes Porträt, das sowohl Thatchers politische Erfolge als auch die sozialen Kosten ihrer Politik beleuchtet. Die Autorin vermeidet es, in Schwarz-Weiß-Muster zu verfallen und lässt sowohl Bewunderer als auch Betroffene zu Wort kommen. Besonders gelungen ist die Verknüpfung von persönlichen Schicksalen (ehemalige Bergarbeiter) mit makroökonomischen Analysen. Kritisch anzumerken ist, dass die Dokumentation die langfristigen gesellschaftlichen Folgen von Thatchers Politik - steigende soziale Ungleichheit, die Zerstörung traditioneller Industrieregionen - zwar schildert, aber nicht tiefer mit aktuellen britischen Gesellschaftskonflikten verknüpft. Die Frage, warum Thatcherismus bis heute in Teilen der britischen Gesellschaft populär bleibt, bleibt etwas unterbelichtet. Die journalistische Leistung besteht darin, die Komplexität einer historischen Figur darzustellen, ohne sich auf einfache Wertungen zu beschränken.