Die Psychologin Stefanie Stahl spricht mit Alexandra über deren angespannte Beziehung zu den Schwiegereltern. Was als Konflikt um grenzüberschreitende Situationen nach der Geburt ihres Sohnes beginnt, entpuppt sich als tieferliegende Traumatisierung durch Alexandras frühe Adoption. Stahl arbeitet heraus, dass Alexandras unverhältnismäßig starke Reaktionen auf vermeintliche Kritik der Schwiegermutter eine Projektion ihrer unverarbeiteten Verletzung durch die leibliche Mutter darstellen, die sie als Säugling weggab. ### Übertragung früher Verletzungen auf aktuelle Beziehungen Alexandra beschreibe eine sechs Jahre andauernde "Wand" zwischen ihr und den Schwiegereltern, die nach dem unangekündigten Besuch kurz nach der Geburt entstanden sei. "Ich kann denen nicht offen und liebevoll begegnen, wie ich mir so Beziehungen eigentlich wünsche", erklärt sie. Stahl identifiziert schnell, dass die Reaktion unverhältnismäßig stark sei: "Es steht für mich nicht so ganz im Verhältnis und für dich ja offensichtlich auch nicht." ### Kritik als zentraler Trigger Durchgängig reagiere Alexandra besonders empfindlich auf vermeintliche Kritik der Schwiegermutter - von Kommentaren beim Wickeln über mitgebrachte Wurstaufstriche bis hin zur Bemerkung über einen selbstgestrickten Pullover. "Da hat sie schon reingerufen, ja, kein Wunder, der ist auch total kratzig und so. Und ich bin einfach total ausgerastet", schildert Alexandra eine Eskalation. Bei anderen Personen störten sie identische Verhaltensweisen nicht. ### Adoption als Grundtrauma Der Wendepunkt kommt, als Alexandra ihre Adoption erwähnt: Sie sei mit sechs Wochen weggegeben worden, ihre Adoptivmutter fünf Monate nach der Geburt des Enkels verstorben. "Weggegeben zu werden und offenbar nicht okay, so zu sein, wie ich bin, ist wahrscheinlich in jeder Zelle meines Körpers", gesteht sie weinend. Stahl interpretiert: "Es geht auf tiefster Ebene darum, ob du überhaupt eine Existenzberechtigung hast." ### Unverarbeitete Wut auf die leibliche Mutter Stahl konfrontiert Alexandra mit der These, dass sie ihre Wut auf die leibliche Mutter an der Schwiegermutter ausagiere: "Du agierst, sie ist die Projektionsfläche für die Wut und die leibliche Mutter, die ist sowieso schon verstorben, die kriegst du nicht zu fassen." Alexandra bestätige, dass sie sich "ganz schön abarbeite" an der Schwiegermutter und sogar bewusst provoziere. ### Heilungsversuch durch perfekte Geburt Besonders bedeutsam sei, dass der Konflikt ausgerechnet nach der Geburt entstanden sei - dem Moment, in dem Alexandra selbst weggegeben wurde. "Ich wollte wirklich einfach, dass ich und wir als Familie, dass wir alle gut in dieses neue Familiending irgendwie so reinkommen", beschreibt sie ihre Bemühungen um eine perfekte Geburt als unbewussten Heilungsversuch. ## Einordnung Das Gespräch zeigt beispielhaft Stahls therapeutische Herangehensweise: Sie hört aufmerksam zu, identifiziert Widersprüche zwischen Erzählung und emotionaler Reaktion und führt die Klientin schrittweise zu tieferliegenden Ursachen. Besonders geschickt arbeitet sie heraus, wie gegenwärtige Konflikte durch unverarbeitete Traumata befeuert werden. Stahls Analyse der "Übertragung" - also der Projektion alter Verletzungen auf neue Bezugspersonen - ist psychologisch fundiert und für Laien verständlich erklärt. Problematisch ist jedoch Stahls teilweise konfrontative Haltung gegenüber der Klientin. Aussagen wie "Was bleibt ihnen denn mit dir auch anderes übrig?" oder die Suggestion, Alexandra solle ihrer Schwiegermutter ein Schuldeingeständnis machen, gehen über therapeutische Neutralität hinaus. Hier positioniert sich Stahl einseitig zugunsten der Schwiegereltern, ohne deren Verhalten ausreichend kritisch zu hinterfragen. Die Episode verdeutlicht auch die Grenzen des Formats: Komplexe Traumata lassen sich nicht in einer Sitzung auflösen, wie Stahl selbst einräumt. Dennoch bietet das Gespräch wertvolle Einblicke in die Mechanismen von Übertragung und die Bedeutung früher Bindungserfahrungen für spätere Beziehungen.