POLITICO Berlin Playbook: Drohnen gegen Polen - was will Putin? Mit Claudia Major
Podcast-Analyse des Drohnenangriffs auf Polen: Wie geschlossen ist die NATO, wie teuer ist die Abwehr und was bedeutet Trumps Tweet?
POLITICO Berlin Playbook
39 min read1766 min audioAm 12. September diskutieren Gordon Repinski und die Sicherheitsexpertin Claudia Major vom German Marshall Fund den Vorfall, bei dem 19 russische Kamikaze-Drohnen den polnischen Luftraum verletzten. Die Sendung wirft die Frage auf, ob Wladimir Putin die NATO testet und wie geschlossen der Bündnisfall bewältigt wird.
### Drohnenangriff als gezielte Provokation
Laut Major handle es sich um ein klassisches Vorgehen Russlands: «Das ist ein ganz normales russisches Vorgehen», nach dem zunächst alles geleugnet werde. Die 19 Drohnen seien wohl nicht fehlprogrammiert, sondern absichtlich in Richtung Reschoff geschickt worden, einem wichtigen Logistik-Hub für Reisen und Waffenlieferungen in die Ukraine.
### NATO reagiert – aber nur langsam
Die Allianz habe die meisten Drohnen zwar abgefangen, doch eine nennenswerte politische Antwort stehe noch aus. Major konstatiert: «Die Frage ist, ob die Europäer wirklich bereit sind, das militärisch durchzuziehen.» Bisherige Sanktions- und Aufrüstungsbeschlüsse ließen auf sich warten, weil viele Staaten «noch eine Angst vor einer Eskalation» hätten.
### Kostenfaktor billiger Drohnen
Die Asymmetrie der Kosten sei ein strategisches Problem: «Sehr günstige Shahid-Drohnen» im «knapp sechsstelligen Bereich» würden mit «Millionen schweren und teuren Geschützen» wie Patriot und F-35 abgefangen. Bei einem massiven Angriff «würde der Westen schnell ein Munitionsproblem bekommen», warnt Major.
### Trump-Tweet sorgt für Unsicherheit
US-Präsident Trump twitterte lapidar «Here we go» und ernte dafür Kritik. Repinski: «Er checks irgendwie nicht so ganz, was da passiert ist.» Die Botschaft erzeuge sowohl bei den europäischen Verbündeten als auch im Kreml Unsicherheit darüber, ob die USA im Ernstfall beistehen würden.
### Positive Signale trotz allem
Beide sehen Lichtblicke: Die NATO-Staaten stünden «ohne viel rumzudiskutieren zusammen», und die Abwehr habe funktioniert. Major betont, Putin neige dazu, «zu weit zu gehen» und bringe damit den Westen wieder zusammen. Die gemeinsame Reaktion könnte Russland signalisieren, «dass es sich nicht lohnt so weiterzumachen».
## Einordnung
Die Episode zeigt ein professionelles journalistisches Format, das komplexe Sicherheitslage in unter 30 Minuten einordnet. Besonders gelungen: die nüchterne Faktendarstellung, das Einbetten in historische Kontexte (Minsker Abkommen, türkischer Abschuss 2015) und die offene Auseinandersetzung mit westlichen Schwächen. Kritisch bleibt, dass die Expertin wiederholt westliche «Angst vor Eskalation» thematisiert, ohne konkrete Gegenargumente oder militärische Alternativen auszuloten. Die Reduktion auf «Putins Spielchen» verengt die Perspektive auf eine Person und entlässt westliche Strategien aus der Pflicht. Positiv: Die Moderation bleibt sachlich, stellt klare Fragen und vermeidet Sensation.