Family Feelings - mit Marie Nasemann und Sebastian Tigges: #178 Vergeben oder gehen?
Ein ehrliches Gespräch über Vergebung, Schuld und das Scheitern von Beziehungen – jenseits von Selbstoptimierung und Harmoniedruck.
Family Feelings - mit Marie Nasemann und Sebastian Tigges
43 min read2347 min audioMarie und Sebastian, bekannt vom Podcast "Zwischen Elternschaft und Partnerschaft", sprechen in dieser Folge über das Thema Vergebung – im Kontext ihrer Beziehung, ihrer Trennung und ihrer Rolle als Co-Eltern. Die Diskussion ist persönlich, emotional und voller Rückblicke auf verletzende Erfahrungen. Beide reflektieren, wie schwer es ist, sich selbst oder dem anderen zu vergeben – besonders wenn keine ehrliche Entschuldigung folgt. Ein zentraler Punkt ist die Frage, ob Vergebung nötig ist, um als Eltern gut zusammenzuarbeiten – oder ob es manchmal gesünder ist, Konsequenzen zu ziehen statt zu vergeben. Der Streit um einen „Crush“ während ihrer Beziehung wird konkret besprochen: Marie hatte sich während eines Filmdrehs in einen Kollegen verguckt, Sebastian fühlte sich verletzt – besonders weil ihm danach keine emotionale Aufarbeitung angeboten wurde. Beide sind sich uneinig, ob das Offenlegen von Gefühlen für Dritte in Beziehungen hilfreich ist. Die Atmosphäre ist ehrlich, manchmal konfrontativ, aber nie unsachlich.
### 1. Vergebung an sich selbst ist oft schwieriger als an andere
Marie berichtet, dass sie sich jahrelang selbst verweigert habe, sich für ihr Fehlverhalten in einer früheren Beziehung zu vergeben. Sie habe sich damals „unfair und unachtsam“ verhalten und dieses schlechte Gewissen habe sie in die darauffolgende Beziehung mit reingetragen. Auch nach Jahren habe sie versucht, sich bei ihrem Ex zu entschuldigen – was abgelehnt wurde. Erst dadurch, dass sie den Versuch unternommen habe, habe sie innerlich Frieden finden können.
### 2. Vergebung kann überbewertet werden – manchmal reicht Loslassen
Ein wiederkehrendes Argument: Es gebe Situationen, in denen Vergebung nicht zwingend notwendig sei, sondern Konsequenzen zielführender wären. Marie sagt: „Ich habe dir das noch nicht verziehen. Ich habe aber meine Konsequenz daraus gezogen.“ Beide sind sich einig, dass manche Dinge nie vergeben werden – aber irgendwann keine Rolle mehr spielen müssen, etwa aus Verantwortung für gemeinsame Kinder.
### 3. „Zu schnell vergeben“ kann Beziehungen beschädigen
Sebastian kritisiert, dass in ihrer Beziehung oft zu schnell „Schluss“ unter Konflikten gemacht wurde – ohne echte Aufarbeitung. Das habe langfristig zu Verbitterung geführt. „Wenn man zu schnell verzeiht, ohne dass es wirklich passt, dann frisst man das nur in sich hinein.“
### 4. Crushes in Beziehungen – normal, aber heikel
Ein zentrales Beispiel ist ein Filmdreh, bei dem Marie sich in einen Kollegen verguckt hat. Sie teilte dies mit Sebastian, der sich zunächst „cool“ gab, später aber verletzt fühlte – besonders weil ihm keine emotionale Nacharbeit angeboten wurde. Die Diskussion zeigt: Die Art und Weise, wie mit solchen Gefühlen umgegangen wird, ist entscheidender als das Gefühl selbst.
### 5. Ehrlichkeit versus Rücksicht – ein Spannungsfeld
Marie betont, sie könne nicht lügen – und habe deshalb über ihren Crush gesprochen. Sebastian hinterfragt, ob das Mitteilen wirklich hilfreich sei, wenn es dem anderen nur wehtue. Die Diskussion bleibt offen, zeigt aber ein grundlegendes Dilemma moderner Beziehungen: Wieviel Ehrlichkeit verträgt Liebe?
## Einordnung
Diese Folge ist kein journalistisches Format, sondern ein persönliches, teils therapeutisch wirkendes Gespräch – mit hohem Wiedererkennungswert für viele Hörer:innen. Die Stärke liegt in der Offenheit, mit der Marie und Sebastian über ihre Beziehung sprechen – ohne sich in Selbstmitleid zu verlieren. Die Gesprächskultur ist respektvoll, wenn auch mit spürbarem Unmut. Besonders bemerkenswert: Die beiden thematisieren, dass Vergebung nicht immer nötig ist – ein Gegenentwurf zur Selbstoptimierungskultur, die stets Heilung und Harmonie vorgibt. Gleichzeitig bleibt die Perspektive von Marie dominant; Sebastian wirkt manchmal wie der „gefühlte Störfaktor“, der nachhakt, was längst verarbeitet schien. Das kann für Hörer:innen anstrengend sein – ist aber realistisch. Es ist eben kein Wohlfühl-Podcast, sondern ein Plädoyer für ehrliche Konfliktkultur. Wer also Antworten sucht, „wie man richtig vergibt“, wird hier keine finden – aber viele Fragen, die weiterhelfen.
Hörempfehlung: Ja – für alle, die sich mit Trennung, Co-Parenting und dem Scheitern von Beziehungen auseinandersetzen wollen. Aber mit emotionaler Bereitschaft.