In der Sternstunde Philosophie spricht Barbara Bleisch mit dem Schauspieler und Bestseller-Autor Joachim Meyerhoff über das Leben als dauerhaftes Spiel zwischen Fiktion und Authentizität. Meyerhoff erzählt, wie er nach dem frühen Tod seines Bruders durch Schreiben und Theater eine Art „Selbstmythos“ entwickelte, der es ihm erlaubt, sich selbst zu erzählen, ohne dabei die Wahrheit zu beschwören. Er sieht das Leben als Komödie und Tragödie zugleich, wobei gerade das Scheitern und die Verluste die echten Erzählungen hervorbringen. Das Gespräch kreist um die Frage, ob wir jemals „wirklich“ sind oder ob wir stets in Rollen schlüpfen – auf der Bühne und im Alltag. Die Sendung bleibt durchgehend in einem reflexiven, fast therapeutischen Ton, ohne je journalistisch nachzuhaken. ### 1. Fiktion als Zugang zur Wahrheit Meyerhoff erklärt, erst durch das Erfinden von Details sei er wieder an die vergessenen, „echten“ Erinnerungen herangeraten. „Ich kann über die Brücke der Fiktionalisierung an das ursprünglich authentische wieder heranreichen.“ ### 2. Der Verlust als zentrale Erzählmaschine Der frühe Tod des Bruders erschütterte Meyerhoffs Lebensentwurf so nachhaltig, dass er 20 Jahre lang „verstummte“, bevor er in Büchern eine „festliche“ Form fand, mit den Toten zu leben: „Alle Toten fliegen hoch.“ ### 3. Komik als schwerere Kunstform Am Theater habe er gelernt, dass Komödie anspruchsvoller sei als Tragödie: „In der Komödie, in der nicht gelacht wird, weiß man, dass man gescheitert ist.“ Deswegen suche er stets das Komische im Schrecklichen. ### 4. Ablehnung der Karriere- und Glücksgleichung Karriereleitern seien „Höhenräder“, die sich ständig weiterdrehen und keine Ruhe ermöglichen. Glück finde sich nur in „kleinteiligen“ Momenten – einem geglückten Satz, einem gelungenen Theaterabend. ### 5. Magisches Denken als Teil von Gesundheit Orakelbefragungen, Nummernschild-Zählen und andere „paranoide“ Rituale hält Meyerhoff nicht für krank, sondern für menschlich: „Diese paranoiden Kerne, das gehört zu unserer Gesundheit dazu.“ ## Einordnung Die Sendung bleibt konsequent in der Selbstverständigung: Es gibt keine kritischen Nachfragen, keine Faktenchecks und keine Perspektive von außen. Bleisch überlässt Meyerhoff die Deutungshoheit über sich selbst und bestätigt ihn mit warmer Zustimmung. Das mag als Gespräch unter Freund:innen funktionieren, erfüllt jedoch kaum journalistische Aufgaben. Kontroverse Positionen – etwa die Verharmlosung von Paranoia oder die Annahme, dass Komik alle sozialen Risse kitten könne – werden nicht hinterfragt. Dafür gelingt dem Format ein eindrückliches Porträt eines Künstlers, der sich selbst zum Mythos erhebt und dabei stilvoll seine eigene Unsicherheit zelebriert. Die Folge ist ein anschauliches Beispiel für „Soft-Interview-Kultur“ im Kulturbereich: tiefenpsychologisch, aber nicht kritisch.