Psychologie to go!: Update Depression: Neue Therapien und praktische Tipps
Aktuelle Forschungserkenntnisse zur Depressionsbehandlung - von Entzündungswerten über Ketamin bis zur Darm-Hirn-Achse.
Psychologie to go!
88 min read4020 min audioDie Psychotherapeutin Franca Cerutti und ihr Ehemann Christian Weiß, Facharzt für Psychiatrie, diskutieren in dieser knapp 66-minütigen Folge aktuelle Erkenntnisse aus der Depressionsforschung. Sie erklären, dass Depression heute als komplexe Systemerkrankung verstanden werde, die weit über den veralteten Serotoninmangel hinausgehe. Neuere Studien deuten darauf hin, dass etwa 30 % der Betroffenen erhöhte Entzündungswerte aufweisen könnten und dass die Darm-Hirn-Achse eine wachsende Rolle spiele. Besonders kontrovers diskutieren sie die COBRA-Studie, der zufolge eine rein verhaltensaktivierende Therapie ohne kognitive Umstrukturierung angeblich genauso wirksam sei wie klassische Verhaltenstherapie. Weitere Themen sind Schlafentzugstherapie, Ketamin und Psilocybin unter strenger ärztlicher Aufsicht sowie transkraniale Magnetstimulation. Die Sendung wirbt zudem für probiotische Ernährung und verweist auf ihr Buch „Psychologie to go!".
### 1 Depression sei heute als komplexe biopsychosoziale Systemerkrankung zu verstehen
Die Sprecher:innen betonen, dass Depression "weit mehr als ein bisschen traurig sein" sei und als schwere, potenziell lebensgefährliche Erkrankung gelte. Christian Weiß erklärt: "Depression bedeutet nicht, dass man sich ein bisschen schlecht fühlt, dass man schlechte Laune hat. Sondern man kann das durchaus mit körperlichen Erkrankungen vergleichen."
### 2 Etwa 30 % der Betroffenen könnten über eine entzündliche Komponente erkrankt sein
Weiß berichtet: "Man kann bei etwa 30 % der depressiv erkrankten Patienten erhöhte Entzündungswerte feststellen." Diese Entzündungsreaktionen könnten mit Stress, Cortisol und verminderter Neuroplastizität zusammenhängen.
### 3 Die COBRA-Studie behaupte, einfache Verhaltensaktivierung könne klassische Verhaltenstherapie ersetzen
Franca Cerutti fasst die Lancet-Studie zusammen: "Diese Art von rein Verhaltensbasierter manualisierter Tätigkeit... ist gleichwirksam wie Verhaltenstherapie." Sie zeigt sich skeptisch, dass dafür keine ausgebildeten Therapeut:innen nötig seien.
### 4 Neue Behandlungsoptionen wie Ketamin, Psilocybin und Magnetstimulation würden zunehmend erprobt
Weiß warnt: "Es ist keinesfalls so, dass man sich jetzt in Eigenregie immer mal wieder so einen Nasenspray Hub von Ketamin reinpfeifen sollte." Beide betonen, solche Substanzen müssten unter strenger ärztlicher Kontrolle verabreicht werden.
### 5 Die Darm-Hirn-Achse und Stuhltransplantation könnten künftig eine Rolle spielen
Cerutti berichtet von tierexperimentellen Studien: "Man konnte zeigen, dass depressive Symptomatik... dadurch weggegangen ist oder entstanden ist." Probiotika könnten Antidepressiva verstärken.
### 6 Schlaftherapie mit 36-stündigem Schlafentzug und Lichttherapie zeige Erfolge
Weiß erklärt: "Diese Therapie besteht erstmal aus 36 Stunden nicht schlafen... und dann über sechs Monate Lichttherapie." Dies sei jedoch nur unter stationärer Aufsicht empfehlenswert.
## Einordnung
Die Folge präsentiert sich als unterhaltsames, aber wissenschaftlich ambitioniertes Update für Betroffene und Angehörige. Die Moderator:innen schaffen es, komplexe Forschungsergebnisse leicht verständlich zu vermitteln, ohne dabei oberflächlich zu werden. Besonders bemerkenswert ist ihre differenzierte Auseinandersetzung mit kontroversen Themen wie der COBRA-Studie oder Substanztherapien - sie warnen konsequent vor Selbstmedikation und betonen die Notwendigkeit professioneller Begleitung. Die Perspektive bleibt dabei klar auf westliche Wissenschaft fokussiert, während alternative Heilansätze nur am Rande erwähnt werden. Die Mischung aus fachlicher Expertise und persönlichem Austausch macht die Folge zu einer wertvollen Informationsquelle für alle, die sich für aktuelle Entwicklungen in der Depressionsbehandlung interessieren.