Lisa Ortgies spricht mit dem Diplompsychologen und Paartherapeut Christian Hemschemeier über toxische Beziehungen. Hemschemeier definiert sie als Liebessucht, die sich wie eine klassische Sucht verhalte: "Dopamin ist ein Hormon des Habenwollens. Das ist aber nie ein Hormon des Habens." Er beschreibe ein sich wiederholendes Muster aus "Hot and Cold", Lügen und sogenanntem "Future Faking", bei dem eine rosige Zukunft versprochen, aber nie eingelöst werde. Als Paradebeispiel dient die Geschichte von "Madeleine", die drei Monate lang Urlaub mit ihrem Partner macht, ohne dessen Wohnung je betreten zu haben. Hemschemeier betont zudem, dass Paartherapie in solchen Fällen sinnlos sei, weil toxische Beziehungen "nie funktionieren" und Therapeut:innen selbst manipuliert werden könnten. ### Toxische Beziehungen folgen einem festen Drehbuch Hemschemeier erklärt, dass toxische Beziehungen immer nach demselben Schema verliefen: "Ich weiß nach 2 Minuten, wie es weitergeht." Der Verlauf beginne mit einem intensiven Verliebtsein, das sich rückwärts entwickle – erst Sex, dann Gefühle. Nach etwa drei Monaten komme der große Crash, gefolgt von einem Zickzack-Muster aus Hochs und Tiefs, das sich langsam absenke. ### Menschen mit "Wunden" ziehen sich an Beide Partner hätten oft ähnliche psychische Verletzungen aus der Kindheit. Diese "Wunden-Anziehung" führe dazu, dass sich Menschen mit komplementären Problemen finden – nicht aus Liebe, sondern aus Sucht nach Bestätigung und Drama. ### Co-Abhängigkeit und Schuldfrage Die Betroffenen würden sich wie Alkoholiker verhalten: Sie wissten, dass sie gelogen werde, glaubten aber immer wieder an die nächste Entschuldigung. Hemschemeier fordere deshalb, den Betroffenen auch Eigenverantwortung zuzuschreiben: "Ab einem gewissen Punkt muss man bei sich selber gucken, warum mache ich das eigentlich?" ### Therapeutische Haltung: klare Kante statt Mitleid Der Coach berichtet, dass er Klient:innen oft direkt konfrontiere. Seine ehemalige Therapeutin habe ihm damals gesagt: "Das ist kompletter Murks." Diese klare Haltung halte er für notwendig, um Menschen aus ihrer Sucht zu befreien. ## Einordnung Der Podcast wirkt wie eine Mischung aus Aufklärung und Unterhaltung. Die Expertise von Christian Hemschemeier ist unbestritten, doch die Sendung bedient sich starker Emotionalisierung und plakativer Beispiele. Die Grenze zwischen seriöser Aufklärung und dramaturgischem Effekt verschwimmt, wenn etwa von "Seelenverwandtschaft als Synonym für toxisch" gesprochen wird. Die Betroffenen werden zwar als süchtig und verantwortlich beschrieben, doch die gesellschaftlichen Bedingungen, die solche Beziehungsmuster begünstigen, bleiben ausgeblendet. Auffällig ist auch die Tendenz, bestimmte Berufsgruppen – etwa Surflehrer oder Tauchlehrer – pauschal als potenzielle „Risikofaktoren“ zu markieren. Wer eine klare, psychologisch fundierte Perspektive sucht, bekommt hier zwar viele Erkenntnisse, aber auch eine gehörige Portion Moralapostel und Dramatik.