Im ersten Teil seiner zweistündigen Deep-Dive-Folge widmet sich Wolfgang M. Schmitt jun. dem Klassiker „Sunset Boulevard“ (1950) und fragt, warum ausgerechnet Donald Trump diesen Film liebt. Schmitt spannt den Bogen von Trumps Selbstwahrnehmung als Comeback-Künstler zur filmischen Figur der alternden Stummfilmdiva Norma Desmond, die in einer selbst erdachten Realität lebt. Entlang von Zitaten von Trump-Mitarbeiter:innen und Hollywood-Anekdoten entwirft er die These, dass Fiktion und Realität in Politik wie im Kino längst verschmolzen seien – ein Zustand, den Hollywood schon 1950 durchschaut habe. ### 1. Trump identifiziert sich laut Zeugnissen mit Norma Desmond Trump habe sich bei mehreren Gelegenheiten „Sunset Boulevard“ angeschaut und sei fasziniert von der Hauptfigur, die sich von der Öffentlichkeit vergessen glaubt und ein spektakuläres Comeback anstrebt. Ehemalige Mitarbeiter:innen wie Stephanie Grisham zufolge habe Trump nicht erkannt, „wie ähnlich sie ihm war“. ### 2. Die Grenze zwischen politischer Realität und Inszenierung löst sich auf Schmitt wiederholt seine These aus einer Podiumsdiskussion im Städel Museum, dass es „vielleicht gar nicht so wichtig“ sei, ob ein Politiker echt oder gespielt handele, wenn die Fiktion funktioniert. Diese Position stieß dort auf deutlichen Widerspruch. ### 3. „Sunset Boulevard“ war von Anfang an ein Film über die Selbst-Aufzehrung Hollywoods Das Drehbuch entstand, nachdem Billy Wilder und Charles Brackett den Niedergang des einst gefeierten Stummfilm-Regisseurs D. W. Griffith miterlebten. Die Geschichte einer vergessenen Diva spiegelt laut Schmitt die Branche, die „ihre eigenen Leute verschlingt“. ### 4. Der Film kombiniert mehrere Genres und liest sich als Vorausdeutung der Gegenwart Schmitt beschreibt „Sunset Boulevard“ gleichzeitig als Horrorfilm, Satire, Liebesgeschichte und Film noir. Diese Verschmelzung mache den Streifen zu einem „unglaublich aktuellen Stück Medientheorie“, das schon vor Baudrillard die Simulation vorweggenommen habe. ## Einordnung Schmitt liefert keine klassische Rezension, sondern eine assoziative Essay-Folge, die Film-, Politik- und Mediengeschichte zu einem Plädoyer für die „Post-Realität“ verquickt. Dabei bleiben faktenbasierende Klarstellungen oder Gegenstimmen weitgehend aus; stattdessen zieht er Anekdoten, Zitate und Theorien aneinander, um die These von der Ununterscheidbarkeit von Show und Politik zu untermauern. Die argumentative Strategie ist zirkulär: Trumps Liebe zum Film belege die These, die These erkläre wiederum Trumps Politikstil. Kritische Distanz zu Trumps Selbstinszenierung oder zur Verharmlosung demokratischer Institutionen bleibt aus; stattdessen wirkt die Faszination über das „System Trump“ durchgehend spürbar. Für Hörer:innen, die eine ideologiekritische Analyse im klassischen Sinn erwarten, ist das Format eher ein literarisch-philosophischer Monolog als ein ausgewogenes Feature – wer sich auf diese Form einlässt, bekommt aber eine unterhaltsame, stilistisch geschliffene Meditation über Medienwirklichkeiten.