Der brasilianische Podcast „O Assunto“ beleuchtet in dieser Folge die vielfach verzögerte strafrechtliche Aufarbeitung des Corona-Krisenmanagements unter Ex-Präsident Jair Bolsonaro. Gast ist die Juristin und Ethik-Professorin Deisy Ventura, die an der USP ein Projekt zur systematischen Auswertung von über 3.000 offiziellen Normen während der Pandemie leitete. Sie konstatiert eine durchgängige Strategie der Bundesregierung, Infektionsschutzmaßnahmen zu sabotieren und sich damit aktiv an der Verbreitung des Virus zu beteiligen. Diese These stützt sie auf Dokumente wie Gesetzesentwürfe, Pressekonferenzen und Interviews, in denen etwa das Ziel „Herdenimmunität“ durch Infektion propagiert wurde. Zentraler juristischer Begriff ist das sogenannte „Verbrechen der Epidemie mit Todesfolge“ (Art. 267 CP), dem mehr als 700.000 Todesfälle zugerechnet werden. Ventura kritisiert, dass ehemalige Generalstaatsanwalt Augusto Aras Ermittlungen jahrelang blockierte und erst jetzt, nach Eröffnung eines neuen FBI-Verfahrens durch Richter Flávio Dino, Bewegung in die juristische Aufarbeitung kommt. Die Expertin warnt, die Straflosigkeit mache Gesundheitspolitik zum Spielball von Wahlstrategien und ermutige neue Populisten, evidenzbasierte Maßnahmen zu untergraben. Perspektiven von Betroffenen (u.a. indigene Munduruku, Gesundheitspersonal) fehlen fast vollständig; die Redaktion überlässt Deutungshoheit weitgehend der wissenschaftlichen Gastschaft, ohne konträre Positionen einzuholen. Die Argumentationsweise bleibt journalistisch stringent, doch die emotionale Aufladung („Nitroglyzerin“) und die Fokussierung auf einzelne Schuldige vereinfacht das komplexe Versagen mehrerer Ebenen.