Die spanische Podcast-Anschlagfutter-Produtkion "Carne Cruda" widmet eine Folge unter dem Titel "Zionismus: Von der europäischen Kolonialidee zur ethnischen Säuberung" dem Verhältnis von Sionismus und Kolonialismus. Moderiert wird die Sendung von Javier Gallego "Crudo", das Gespräch wird von Violeta Muñoz begleitet. Zu Gast sind Héctor Grad von der Jüdischen Antizionistischen Netzwerk, Ricci Galiano von der Bewegung "Camp for Palestine" und Hania Faydi vom BDS-Bündnis und palästinensischer Diaspora. Die Geschichte des Sionismus wird hier als koloniales Projekt aufgefasst, das sich mit Antisemitismus verbündete, um eine eigene Zukunft außerhalb Europas zu konzipieren. Die Sendung ist im unabhängigen Community-Radio-Format produziert. ### 1. Der Sionismus als Kolonialprojekt Die Sendung argumentiert, der Sionismus sei keine Religions-, sondern eine koloniale Bewegung des späten 19. Jahrhunderts, entstanden aus dem Wunsch, „ein Problem Europas in andere Teile der Welt zu exportieren“. Die britische Balfour-Erklärung 1917 liefere den Rahmen. Héctor Grad erinnert: „Der Sionismus war ein koloniales Projekt, entwickelt während des Kolonialismus-Booms. Er wurde in Europa erfunden, exportierte aber ein europäisches Problem in eine andere Region der Welt.“ ### 2. Allianz mit Antisemiten Der zionistische Gründer Theodor Herzl pflegte laut Transkript bereits 1904 Kontakt zur zaristischen Politik. Sein Ziel sei es gewesen, mit Antisemiten zu kooperieren, um eine Auswanderung von Juden zu fördern. Grad zitiert: „Der Antisemitismus lieferte ideologisch die Grundlage, um die Gründung eines eigenen Staates zu rechtfertigen.“ ### 3. Antizionistische Juden seit dem 19. Jahrhundert Schnell entstand ein breites Judisches Antizionismus-Lager, das sich aus religiösen (rabbinischen), laizistischen, sozialistischen und assimilationistischen Positionen zusammensetzte. Grad: "Die antizionistische jüdische Bewegung entstand schon im 19. Jahrhundert. Sie lehnte den Zionismus ab, weil sie das Problem der Juden in Europa lösen wollte statt das Land zu verlassen." ### 4. Instrumentalisierung des Holocaust Die Shoah werde nach Ansage der Gäste, umgekehrt: Sie rechtfertige ethnische Säuberung an Palästinenser*innen. Grad: „Der Holocaust wurde zum Hauptargument, um die Schaffung Israels zu legitimieren. Es sei eine Verletzung der Opfergedenkens, das Katastrophen-Erbe zu nutzen, um Verbrechen gegen Menschlichkeit zu rechtfarben.“ ### 5. Gezielte Desinformation der Öffentlichkeit Ricci Galiano listet Narrative auf, die Israel als „einzige Demokratie im Nahen Osten“ und „Schutzmacht von Christen, Frauen und LGBTQ+" präsentiert. Laut Amnesty- und HRW-Berichten gebe es aber systematischen Apartheid. Galiano: „Israel hat kein Recht auf Selbstverteidigung über Gebiet, das es illegal besetzt.“ ### 6. Strategie der Entmenschlichung Hania Faydi beschreibt „Pinkwashing" und Social-Media-Zensur als Teil der Propaganda. „Wenn man eine ethnische Säuberung oder Völkermord begehen will, muss man die Bevölkerung entmenschlichen. Man muss sie in Tiere oder Dämonen verwandeln, um die Barbarei zu rechtfertigen.“ ## Einordnung Die Sendung arbeitet mit einem klaren Alternativ-Frame: Sie unterwandert die gängige Gleichsetzung von Juden und Zionismus, indem sie jüdische Antizionist*innen prominent positioniert und deren historische Tradition betont. Die Argumentation bleibt stringent, stützt sich auf Historikerzitate und UN-Berichte, wirkt aber durch den vollständigen Verzicht auf israelische oder zionistische Stimmen einseitig. Die Moderation verschafft ihren Gästen maximale Deutungshoheit und wählt eine emotional aufgeladene Sprache („Völkermord“, „Propaganda-Maschine“), was dem Format als politisches Magazin mit Anspruch auf Unterhaltung entspricht. Die Folge verzichtet auf journalistisches Ausgleichen – stattdessen steht eine klare Solidarisierung mit palästinensischen Zivilgesellschaftgruppen. Für Hörer*innen, die sich für postkoloniale Perspektiven auf Nahost interessieren, ist der Beitrag ein luzider Einstieg in antizionistische Positionen. Wer eine ausgewogene Debatte sucht, erhält hier keine Kontrapunkte.