FALTER Radio: Der Gaza-Krieg und das europäische Dilemma - #1480
Falter Radio analysiert mit europäischen Politiker:innen die EU-Außenpolitik im Gaza-Konflikt und die Aussichten auf Frieden nach Trumps Plan.
FALTER Radio
13 min read2936 min audioIm Podcast "Falter Radio" diskutiert Raimund Löw mit vier Expert:innen über die europäische Außenpolitik angesichts des Gaza-Kriegs und Trumps Friedensplan. Die Gäste sind Meri Disoski (Grüne), Özlem Alev Demirel (Linke), Sophie in 't Veld (Volt) und Paul Schmidt (Österreichische Gesellschaft für Europapolitik). Die Sendung wurde am 2. Oktober 2025 aufgezeichnet, kurz bevor ein Angriff auf eine Synagoge in Manchester erfolgte, der in einer redaktionellen Notiz erwähnt wird.
### 1. Europäische Politik entfernt sich von der Bevölkerung
Die Politik reagiere kaum auf die öffentliche Empörung über die Gewalt in Gaza. Während in vielen Ländern zehntausende Menschen für Palästina demonstrieren, „sagt die Politik, die macht eigentlich kaum was anders, als dass sie weiterredet“, wie Sophie in 't Veld feststellt. Die Kluft zwischen Bevölkerung und politischem Handeln wachse stetig.
### 2. Trumps Plan birgt laut Kritiker:innen keine echte Souveränität für Palästinenser
Özlem Alev Demirel warnt, dass der Plan keine Zustimmung der Palästinenser einholt und ihnen keine Selbstbestimmung zuspricht. „Was er vorschlägt ist eben, dass die Waffen tatsächlich ruhen könnten, aber dass Israel weiterhin an den Grenzen Gazas stehen bleibt“, so Demirel. Die Palästinenser würden unter fremder Vorherrschaft leben müssen.
### 3. Deutsche Waffenlieferungen trotz Völkermordvorwürfen
Demirel kritisiert scharf, dass die deutsche Regierung „noch letzte Woche erneut Waffen an Israel genehmigt hat, obwohl die ganze Welt inklusive der UN inzwischen klar und offen von einem Völkermord spricht“. Dies zeige, dass die westliche Politik nichts aus den vergangenen Jahren gelernt habe.
### 4. Humanitäre Katastrophe steht im Vordergrund
Meri Disoski betont, dass die Beendigung der humanitären Katastrophe mit zehntausenden Toten oberste Priorität habe. „Jede Initiative, die es ermöglicht, dass die Waffen schweigen und jede Initiative, die dazu führt, dass die noch in Gefangenschaft befindlichen israelischen Geiseln zurückkommen können, ist natürlich zu begrüßen“, so die Grünen-Politikerin.
### 5. Europäische Strategie bleibt unklar
Die Expert:innen zeigen sich ratlos über eine kohärente europäische Strategie. Während einige EU-Staaten Palästina anerkannt haben, fehlt es an konkreten Auswirkungen. Die Diskussion offenbart ein „europäisches Dilemma“, wie es der Podcast-Titel formuliert: Die EU finde keine gemeinsame Linie zwischen humanitären Prinzipien, geopolitischen Interessen und dem Druck der USA.
## Einordnung
Die Sendung zeigt ein professionelles journalistisches Format, das verschiedene Perspektiven auf den Nahostkonflikt beleuchtet. Besonders bemerkenswert ist die klare Distanz zur deutschen und US-amerikanischen Politik, die durch die Expert:innen ausdrücklich kritisiert wird. Die Diskussion bleibt dabei auf einer analytischen Ebene, ohne sich in parteipolitische Polemik zu verlieren. Interessant ist die Selbstreflexion über die Kluft zwischen europäischer Bevölkerung und deren politischen Vertreter:innen – ein Thema, das über den Nahostkonflikt hinausweist und die Legitimationsprobleme der EU in der Außenpolitik aufzeigt. Die Expert:innenrunde gelingt es, die Komplexität der Situation zu vermitteln, ohne sich auf einfache Lösungsvorschläge zu beschränken. Die Tatsache, dass die Aufzeichnung nur wenige Tage vor einem antisemitischen Angriff erfolgte, wird durch eine redaktionelle Notiz angemessen kontextualisiert.