Dlf Doku: "Ein Fluss muss fließen" - Wo Wasserkraft mehr schadet als nutzt
Dokumentation über den Konflikt zwischen Wasserkraft und Artenschutz in Deutschland und Österreich.
Dlf Doku
56 min read3085 min audioDer Dokumentarfunk-Beitrag "Ein Fluss muss fließen" von Egon Koch begleitet mehrere Konflikte um Wasserkraftprojekte in Deutschland und Österreich. Hauptakteure sind die EVN (Energieversorgung Niederösterreich), die Bürgerinitiative "Lebendiger Kampf" mit Clemens Feigel und Stefan Glaser, der Mühlenbetreiber Konrad Switalski sowie der Unternehmer Christian Deutsch. Zentrales Thema ist der Zielkonflikt zwischen erneuerbarer Energiegewinnung und ökologischem Gewässerschutz.
### 1. EVN plante eine massive Erweiterung des Kraftwerks Rosenburg am Kamp
Die EVN wollte die Staumauer um 1,6 m erhöhen und den Stausee verdoppeln. Dies hätte nach Angaben der Bürgerinitiative "eineinhalb Kilometer" des natürlichen Flusslaufs zerstört und ein Landschaftsschutzgebiet überflutet. Stefan Zach von der EVN rechtfertigt das Projekt mit dem Argument: "Wir müssen [...] alle natürlichen Ressourcen nutzen, die uns zur Verfügung stehen."
### 2. Kleinwasserkraftwerke erhalten trotz geringem Output massive Förderungen
Laut WWF-Expertin Sigrun Lange produzieren 90 % der österreichischen Wasserkraftanlagen (unter 500 kW) nur 10 % des Stroms. Ein Windrad mit 3 MW könnte "rund 60 entsprechende Kleinstwasserkraftwerke ersetzen". Trotzdem profitieren 7200 Kleinanlagen weiter von Einspeisevergütungen.
### 3. Behörden fordern teure Ökomaßnahmen von kleinen Betreibern
Konrad Switalski muss für seine 18 kW-Mühlenanlage eine Fischtreppe bauen, die 100.000 € kosten würde - mehr als das fünffache seiner jährlichen Stromerzeugung. Das Landratsamt Bayreuth argumentiert: "Derjenige, der letztlich ein Gewässer nutzt, hat Rechte und Pflichten."
### 4. EU-Richtlinien erzwingen Rückbau von Wehren
Die Wasserrahmenrichtlinie verpflichtet zur Durchgängigkeit der Flüsse bis 2027. In Frankreich wurden 2023 bereits 156 Wehre zurückgebaut, in Deutschland erst einzelne wie am Hühnerbach. Die WWF-Expertin Sigrun Lange erklärt: "Ein Fluss muss fließen. Und wenn ein Fluss gestaut wird, dann verliert er seinen Fließgewässercharakter."
### 5. Politische Blockaden zwischen Bundesländern verhindern Projekte
Christian Deutsch scheiterte mit seinem geplanten Kleinwraftwerk an der deutsch-deutschen Grenze, weil Bayern und Thüringen sich gegenseitig blockierten. Wie er berichtet: "Thüringen sagte, wenn die Bayern zustimmen... Bayern sagt, nein, die Thüringer geben ja keine Genehmigung."
### 6. Bürgerproteste können Großprojekte stoppen
Die jahrelange Protestarbeit der Bürgerinitiative "Lebendiger Kampf" führte dazu, dass die EVN ihr Erweiterungsprojekt 2024 zurückzog. Clemens Feigel bilanziert stolz: "Wir haben es geschafft in 10 Jahren, dass diese Schiene mal auf jeden Fall mal ein Abstellgleis ist."
## Einordnung
Das Feature präsentiert sich als sorgfältig recherchierte Dokumentation, die verschiedene Perspektiven ausgewogen gegenüberstellt. Die journalistische Stärke liegt in der konkreten Verortung von Einzelfällen - vom niederösterreichischen Kamp bis zur fränkischen Steinach. Besonders bemerkenswert ist die klare Hierarchisierung der Konflikte: Während Großprojekte wie das EVN-Kraftwerk durch Bürgerproteste gestoppt werden, kämpfen kleine Betreiber wie Switalski gegen überzogene Auflagen. Die Dokumentation zeigt, wie EU-Vorgaben und nationale Förderpolitik paradoxe Situationen schaffen: Kleinanlagen mit minimalem Output werden subventioniert, während gleichzeitig ökologische Auflagen kleine Betreiber ruinieren. Die fehlende Perspektive ist jene der Fische selbst - ihre Bedürfnisse werden nur durch menschliche Interpretationen vermittelt. Die Machart überzeugt durch persönliche Zugänge und konkrete Zahlen, ohne sich auf eine Seite zu schlagen.
Hörempfehlung: Wer sich für den Zielkonflikt zwischen Klimaschutz und Artenschutz informieren will, erhält hier eine facettenreiche Landkarte der deutschen und österreichischen Wasserkraftdebatte.