SPRIND – der Podcast der Bundesagentur für Sprunginnovationen: #111 Johannes Kotte
Porträt eines deutschen Deep-Tech-Start-ups und seines Materials zur Lärmdämmung – PR-geprägt und ohne kritische Gegenfragen.
SPRIND – der Podcast der Bundesagentur für Sprunginnovationen
68 min read3019 min audioIm Podcast "Sprint" der Bundesagentur für Sprunginnovationen spricht Moderator Thomas Ramge mit Dr. Johannes Kotte, Co-Gründer des Berliner Startups Absora. Das Unternehmen entwickelte das Material HSA3, ein mikroperforiertes, gewelltes Blech, das Schall und Vibrationen effizient absorbiert, dabei leichter und günstiger als herkömmliche Lösungen wie Steinwolle sein soll. Lärm sei laut UN der zweitschädlichste Umweltfaktor für die Gesundheit, betroffen seien weltweit etwa eine halbe Milliarde Menschen. HSA3 könne in zahlreichen Branchen eingesetzt werden: Bauwesen, Fahrzeugbau, Energieanlagen, Stalltechnik, Drohnen. Besonders stark dämpfe das Material tiefe Frequenzen, etwa von Transformatoren. Die Produktion laufe bereits, erste Kooperationen bestünden mit Firmen wie Big Dutchman (Stallheizungen) und einem Gaskraftwerksbetreiber. Gegründet wurde Absora von Kotte (ehemals McKinsey, Ladenzahl) und dem Erfinder Johannes Herle, der das Verfahren zur Herstellung entwickelte. Die Pre-Seed-Finanzierung lag bei über einer Million Euro, aufgebaut über Business-Angels und ein starkes Team. Die Vision: HSA3 soll zum Standardmaterial im Leichtbau werden – günstiger, leiser, nachhaltiger. Der Weg zum Serieneinsatz werde 2026 beginnen, das Umsatzziel für 2030 liege bei 100 Millionen Euro.### 1. Lärm als massives Gesundheitsproblem
Kotte betont, Lärm sei laut UN der zweitschädlichste Umweltfaktor für die Gesundheit. In Europa seien 140 Millionen Menschen exzessivem Lärm ausgesetzt, 29 Millionen gelten als „Lärmkrank“ und leiden unter Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaflosigkeit oder Depressionen. Weltweit könnten es etwa eine halbe Milliarde Betroffene sein.
### 2. HSA3 als universelles Absorbermaterial
Das keramische Material HSA3 (Herle-Schallabsorber 3. Generation) sei ein extrem steifes, leichtes und günstiges Blech, das durch Wellung und Mikroperforation Luft- und Körperschall breitbandig absorbieren und Vibrationen dämpfen soll. Es bestehe aus Aluminium oder Stahl und sei 5–20× steifer als ein Glattblech gleicher Stärke. Die Mikroperforationen (ca. 0,1 mm) wirkten wie ein „Masse-Feder-System“ und wandeln Schallenergie durch Reibung in Wärme um.
### 3. Kostenersparnis trotz aufwendiger Struktur
Trotz zusätzlicher Fertigungsschritte sei HSA3 preiswerter als konventionelles Blech: „0,4 mm HSA3“ koste rund 4 €/m², ein 1 mm Stahlblech 10 €/m². Die Differenz von 6 € werde durch ein „schlaues Verfahren“ zur Strukturierung überkompensiert, sodass das Material „nicht nur leichter und Schall absorbierend, sondern auch billiger als ein Glattblech“ sei.
### 4. Breites Anwendungsspektrum
Mögliche Einsatzfelder reichten von abgehängten Decken und Lärmschutzwänden im Hochbau über Autos, LKW und Drohnen (Leichtbau, geringerer Treibstoffverbrauch) bis hin zu Stallheizungen (Tierwohl), Gaskraftwerken (Platzersparnis, Retrofits) und Lüftungsanlagen (geringerer Druckverlust → Energieersparnis). Besonders stark dämpfe das Material tiefe Frequenzen, die von anderen Absorbern kaum beeinflusst würden.
### 5. Unternehmerische Rahmendaten
Die Pre-Seed-Finanzierung habe statt der angestrebten 0,5 Mio € über 1 Mio € eingebracht. Pilotkunden existierten bereits, darunter Big Dutchman (leise Stallheizung) und ein Gaskraftwerksbetreiber. Die Serienproduktion solle 2026 starten, das Umsatzziel für 2030 liegt bei 100 Mio €. Gründer seien Dr. Johannes Kotte (ehemals McKinsey, Ladenzahl) und der Erfinder Johannes Herle, dessen Vater Hans Herle unter anderem den Rußpartikelfilter für Dieselmotoren entwickelt habe.
## Einordnung
Die Sendung wirbt professionell für ein deutsches Deep-Tech-Startup und erfüllt damit ihrem Auftrag als „Podcast für Menschen, die Neues neu denken“. Die Moderation bleibt durchweg wohlwollend, wissenschaftliche oder ökonomische Gegenfragen fehlen weitgehend. Kritische Aspekte – etwa Umweltauswirkungen der Mikroperforation von Metallen, mögliche Alterungseffekte, Recycling oder unternehmerische Risiken – werden nicht angesprochen. Die Expertengespräche beschränken sich auf das Gründerteam, externe Gutachten oder unabhängige Forscher kommen nicht zu Wort. Die Zahlen zur Lärmkrankheit stammen ausschließlich vom Interviewpartner, eine externe Verifikation entfällt. Insgesamt handelt es sich um ein PR-formatives Gespräch, das innovative Potenziale aufzeigt, aber keine ausgewogene Risiko-Einschätzung bietet.
Hörwarnung: Wer unabhängige Informationen über Schallschutzmaterialien oder kritische Einordnungen von Start-up-Versprechungen sucht, wird hier nicht fündig. Wer sich für Technik-PR und Gründungsgeschichten interessiert, kann reinhören.