POLITICO Berlin Playbook: Machthaber: Benjamin Netanjahu
Politico-Berlin-Playbook-Sonderfolge über Benjamin Netanyahus politischen Werdegang und die aktuelle Krise Israels.
POLITICO Berlin Playbook
42 min read3083 min audioDer POLITICO-Berlin-Playbook-Podcast widmet sich in dieser 45-minütigen Sommer-Sonderfolge dem israelischen Premierminister Benjamin Netanyahu. Gordon Repinski zeichnet den Werdegang des 1949 geborenen Politikers nach – vom Sohn eines revisionistischen Zionisten über den Bruder eines nationalen Helden zum längst dienenden Regierungschef Israels. Die Episode spannt einen Bogen von Netanyahus Kindheit in den USA, seinem Eintritt in die Politik nach dem Tod seines Bruders Jonathan bei der Entebbe-Operation 1976, über seine erste Amtszeit 1996-1999, das Comeback 2009 und die Ära als "König Bibi" bis hin zum 7. Oktober 2023 und den folgenden Krieg gegen die Hamas.
### 1. Netanyahus politische Sozialisation durch den Vater
Benzion Netanyahu habe seinem Sohn eine Weltanschauung vermittelt, in der "die Welt Israel feindlich gesinnt" sei und "nur eiserne militärische Stärke eine neue Katastrophe verhindern" könne. Dieser von Repinski als "revisionistischer Zionismus" charakterisierte Ansatz präge Netanyahus Politik bis heute.
### 2. Strategie des Konflikt-Managements statt -Lösung
Netanyahu habe es geschafft, "den Konflikt auf kleiner Flamme zu halten, während Israel wirtschaftlich prosperiert" und überzeuge eine Mehrheit, "dass man den Konflikt nicht lösen, sondern nur kontrollieren kann". Diese Strategie sei am 7. Oktober 2023 "auf die brutalste Weise" gescheitert.
### 3. Allianzen mit rechtspopulistischen Kräften weltweit
Netanyahu habe bewusst Allianzen mit "rechtspopulistischen und nationalkonservativen Führern" wie Donald Trump, Viktor Orbán und Jair Bolsonaro gesucht, um sich gegen "internationale Gremien wie die UN und eine kritische EU" abzusichern.
### 4. Justizreform als Versuch der Selbstimmunisierung
Die von Netanyahus Regierung 2023 vorangetriebene Justizreform werde als Versuch gewertet, "das oberste Gericht zu entmachten" und sich vor strafrechtlicher Verfolgung zu schützen. Die daraufhin entfachte Protestbewegung sei "die größte, längste und leidenschaftlichste" in Israels Geschichte gewesen.
### 5. Vorwurf des politischen Überlebenskampfs nach dem 7. Oktober
Familien der Geiseln werfen Netanyahu vor, er "opfere die Geiseln für sein eigenes politisches Überleben" und verweigere bewusst einen Waffenstillstand, da ein Kriegsende seine Regierung gefährden könnte.
## Einordnung
Die Episode präsentiert sich als journalistische Langform-Analyse, bleibt aber durchgehend in einer erzählerischen Distanz, die kaum differenzierte Gegenpositionen zulässt. Repinski bedient sich durchgehend eines dramaturgischen Erzählstils mit klaren Helden- und Schurkenrollen, wobei Netanyahus Gegner:innen kaum zu Wort kommen. Die Perspektive bleibt überwiegend eurozentrisch-liberal, während palästinensische Stimmen fast vollständig fehlen. Besonders problematisch: Die Darstellung der Hamas als rein mörderische Organisation erfolgt ohne Kontextualisierung der politischen Hintergründe, während israelische Politik als notwendige Reaktion auf existenzielle Bedrohung erscheint. Die Episode wirkt wie eine politische Warnung vor Netanyahus autoritären Tendenzen, bleibt aber in der Analyse der Machtverhältnisse und der israelischen Gesellschaft oberflächlich. Die bewusste Fokussierung auf Netanyahus Person führt zu einer Vereinfachung komplexer struktureller Konflikte.
Hörwarnung: Wer eine ausgewogene Analyse des Nahost-Konflikts sucht, wird hier enttäuscht – die Episode ist eine eindimensionale Netanjahu-Kritik mit klarem Fokus auf dessen autoritäre Entwicklung.