Jonathan Freedland diskutiert mit Bhaskar Sunkara, Präsident des progressiven Magazins *The Nation*, über die aktuelle Bedeutung der Meinungsfreiheit in den USA. Nach der Ermordung des rechten Kommentators Charlie Kirk nutzen Trump und seine Alliierten die Trauer, um Kritiker:innen zu diffamieren – etwa durch Rufe, Arbeitgeber zu kontaktieren, um „zu kritische“ Stimmen mundtot zu machen. Parallel klagt Trump die *New York Times* auf 15 Milliarden Dollar und feiert die Suspendierung der Late-Night-Show „Jimmy Kimmel Live!“. Sunkara zeigt, dass diese Maßnahmen einseitig sind: Rechte Akteure fordern staatliche Sanktionen gegen Linke, verlangen aber für sich selbst maximale Redefreiheit. Beide Gesprächspartner betonen, dass die US-Verfassung eine sehr breite Meinungsfreiheit garantiert – nur „unmittelbare Aufrufe zu Gewalt“ sind strafbar. Dennoch nutze die Trump-Regierung Drohungen, Lizenzverfahren und billionenschwere Klagen, um unliebsame Medien einzuschüchtern. Die Episode endet mit dem Appell, zivilgesellschaftliche Debatten offen zu halten und die neutrale Mehrheit der Bevölkerung nicht von Politik zu verprellen. ### 1. Trump beansprucht Meinungsfreiheit nur für sich Sunkara konstatiert, Trump nutze „free speech“ als „Schild für sich selbst“ und „Waffe gegen Kritiker“. Das zeige sich darin, dass Trump Kimmels Suspendierung bejubelt, obwohl seine Regierung ansonsten jede Form von „Cancel Culture“ ablehne. ### 2. Faktencheck: Gewalt kommt laut Daten überwiegend von rechts Der ADL zufolge entfielen alle 13 extremistisch motivierten Morde 2024 auf Rechtsextreme, keiner auf Linksextreme. Trotzdem werde in der konservativen Erzählbehauptung „politische Gewalt sei ein links Phänomen“ verbreitet. ### 3. Regierung droht Medienhäusern mit Lizenzentzug FCC-Chef Brendan Carr ließ durchblicken, Sender könnten ihre Sendelizenz verlieren, wenn sie unliebsame Kommentare ausstrahlten. Freedland nennt das eine „Mischung aus direkter staatlicher Drohung und Selbstzensur der Sender“. ### 4. Klage gegen NYT ist „SLAPP“ – Intimidation statt Rechtssieg Die 15-Milliarden-Klage sei nicht ernsthaft zu gewinnen, sondern solle Ressourcen binden und Berichterstattung beeinflussen. Sunkara: „It’s essentially what we would call a SLAPP lawsuit.“ ### 5. Republikaner wollen „linke Gruppen“ als terroristisch einstufen Stephen Miller kündigte an, das Justizministerium werde „every resource“ nutzen, um „these networks“ – genannt werden u. a. DSA und Planned Parenthood – zu „destroy“. Kritiker:innen sehen darin den Versuch, legale Opposition kriminalisieren. ### 6. Unklare Grenze zwischen „Hate Speech“ und strafbarer Gewaltaufruf Justizministerin Pam Bondi musste zurückrudern: Die DOJ werde nur verfolgen, „who incite violence“, nicht wegen „hate speech“ an sich. Rechte Kommentatoren fürchten nun, ihre eigenen martialischen TV-Aussagen könnten künftig unter diese neue Definition fallen. ## Einordnung Die Episode liefert keine neutrale Pro-Con-Debatte, sondern eine eindeutig linksliberale Perspektive. Freedland und Sunkara entlarven die Doppelmoral der Trump-Lagerung, ohne jedoch Stimmen aus dem konservativen Lager selbst zu Wort kommen zu lassen. Argumentativ stark ist die Trennung zwischen rechtlich erlaubter Rede und staatlichem Druck: Die US-Verfassung schützt auch hasserfüllte Äußerungen, doch die aktuelle Administration verschiebt die Grenze durch Drohkulissen, regulatorische Andeutungen und überzogene Klagen. Besonders bemerkenswert: Die Produktion zeigt, wie schnell sich eine Mehrheitsgesellschaft in Selbstzensur flüchten kann, wenn Sendelizenzen und Rufschädigung drohen. Methodisch bleibt offen, ob die von Sunkara zitierten ADL-Zahlen vollständig sind; andere Studien einzelner Think-Tanks weichen leicht ab, was in der Sendung nicht erwähnt wird. Für Hörer:innen außerhalb der USA bietet das Gespräch einen prägnanten Einstieg in die Praxis des amerikanischen First Amendment – und in die Techniken, dieses mit einfachen Mitteln auszuhebeln.