Der brasilianische Präsident Lula und der US-Präsident Trump lieferten sich bei der UN-Generaldebatte zwei konträre Reden: Lula sprach sich für Multilateralismus, Klimaschutz und die Zweistaatenlösung für Palästina aus, während Trump die UNO als überflüssig attackierte, den Klimawandel als „Betrug“ diffamierte und Brasilien mit Zöllen drohte. Im Anschluss berichtete Trump überraschend von einem 39-sekündigen „warmen“ Zusammentreffen mit Lula und kündigte Gespräche an. Die brasilianische Diplomatie reagiert vorsichtig: Die Begegnung könnte ein Durchbruch im bilateralen Eiszeit sein oder eine Falle, um Lula vor laufender Kamera zu bloßstellen. Die brasilianische Regierung bevorzugt zunächst ein sicheres Telefonat, um weiteren Eskalationen zu entgehen. Die Episode zeigt, wie schnell sich geopolitische Narrative verschieben, wenn persönliche Chemie ins Spiel kommt. ### 1. Lulas Verteidigung von Demokratie und Souveränität Lula nutzte die Tradition, dass Brasilien die Generaldebatte eröffnet, für sein schärfstes UN-Speech. Zentral sei die „Verteidigung der nationalen Souveränität“ gegen „einzelne Maßnahmen und willkürliche Maßnahmen gegen unsere Institutionen und unsere Wirtschaft“ gewesen. Casarões erkennt: „Die Verteidigung der Souveränität war die strukturierende Achse der Rede.“ ### 2. Trumps Frontalangriff auf Multilateralismus und Klimapolitik Trump redete über 50 Minuten und bezeichnete den Klimawandel als „größten Betrug“ und die UNO als „nicht lösungsfähig“. Er kündigte an, keine Unterstützung für „große Initiativen der Vereinten Nationen“ zu erwarten und forderte Stopp der „Offenen Grenzen“. Die Rede wirke wie „eine Art Epitaph für die UNO“. ### 3. Brasilien als Zielscheibe von US-Tarifen und Vorwürfen Trump wirft Brasilien „Zensur, Repression und Militarisierung der Korruption“ vor und kündigt harte Tarife an. Die brasilianische Seite sieht darin Versuch, Druck auf Justiz und Sozialnetz-Regulierung auszuüben – und befürchtet, dass eine mögliche Begegnung Lulas nur diene, ihn vor laufenden Kameras bloßzustellen. ### 4. 39 Sekunden „Chemie“ als potenzieller Eisbrecher Das spontane Treffen hinter der Bühne schildert Trump als „ausgezeichnete Chemie“ und „gutes Zeichen“. Für Casarões ist unklar, ob Trump wirklich verhandeln oder bloß Lula in eine „Falle“ locken will. Die brasilianische Diplomatie setzt deshalb auf ein sicheres Telefonat vor einem eventuellen Face-to-Face. ### 5. UNO in der größten Legitimitätskrise seit 80 Jahren Der Politikwissenschaftler listet drei Probleme auf: veraltete Machtstrukturen (Sicherheitsrat), Vetogeflecht bei Großkonflikten (Ukraine, Nahost) sowie fehlende Anpassung an neue globale Krafteverhältnisse. Die Organisation wirke heute „fast vier Mal so groß“ wie 1945, drohe aber, zu „Instrument US-amerikanischer Außenpolitik“ zu verkommen. ## Einordnung Die Sendung arbeitet journalistisch klassisch: schnelle Einordnung, klare Gegenüberstellung der Reden, differenzierte Bewertung der diplomatischen Folgen. Natuza Nery lässt Expertenmeinungen gelten, ohne sich auf Spekulationen einzulassen. Besonders gelungen: das Spannungsfeld zwischen symbolischem Auftritt und realer Verhandlungsmacht wird durchscheinend. Kritik verdient, dass brasilianische Innenpolitik (Umgang mit Bolsonaro, Judikative) nur aus US-Perspektive diskutiert wird; brasilianische Zivilgesellschaft oder Opposition fehlen als Stimmen völlig. Dennoch liefert der Podcast eine knappe, faktenreiche Analyse, warum 39 Sekunden persönliche „Chemie“ plötzlich mehr zählen könnten als Monate des Tarif-Streits – und warum Diplomat:innen trotzdem vorsichtig bleiben.