The History Podcast: The Magnificent O'Connors: 2. The Murder of Donk Ambridge
Eine BBC-True-Crime-Familiengeschichte über einen angeblichen Justizirrtum im London der Kriegsjahre.
The History Podcast
1717 min audioDer BBC-Podcast „The Magnificent O’Connors“ erzählt in Episode 2 („The Murder of Donk Ambridge“) vom London des Jahres 1941: Nach der tödlichen Prügelattacke auf den Kohlenhändler George „Donk“ Ambridge gerät der 23-jährige Jimmy O’Connor ins Visier der Polizei. Sohn Ragnar O’Connor rekonstruiert die Ermittlungen, den Prozess und die Todesurteils-Katastrophe – alles aus heutiger Familienperspektive. Jimmy sei ein charismatischer Kleinkrimineller gewesen, der sich während des Kriegs auf dem Schwarzmarkt bereicherte; seine Verteidigung sei von mangelhafter Beweis-, Zeugen- und Prozesslage geprägt gewesen. Die Folge wirft vor allem eine Frage auf: Wahrheitsfindung oder Justizirrtum?
### 1. Zeugenaussagen statt Beweise
Die Anklage habe fast ausschließlich auf zwielichtigen Zeug:innen gesetzt: Ein betrugsgeschädigter Häftling und ein Wehrpflicht-Deserteur schildern laut Milo O’Connor, Jimmy habe ihnen gegenüber „Kapitel und Vers“ vom Mord erzählt. Konkrete Beweise – Fingerabdrücke, Tatwaffe – seien nie gefunden worden.
### 2. Die Golduhr als umstrittener Beweis
Der Hehler George Sewell behauptet im Prozess, Jimmy habe ihm eine Golduhr aus Donks Wohnung übergeben. Diese Kette „sei das einzige, was die Anklage an eine Tatortverbindung heranreiche“, sagt Milo O’Connor. Spätere Recherchen der Familie sollen ergeben haben, dass der Gegenstand gar nicht aus dem Opferbesitz stammen könne.
### 3. Zeitplanungs-Trick der Anklage
Die Staatsanwaltschaft argumentiere, Jimmy könne den Mord vor 23:30 Uhr verübt und danach noch die Party in der Denmark Road besucht haben. Die Verdauungsanalyse der Fisch-und-Chips-Reste im Magen des Opfers diene dabei als „wackelige Zeitmarke“, um die Alibi-Lücke zu schließen.
### 4. Verteidigungsstrategie ohne Zeugen-Aussage
Jimmy durfte nach Angaben seiner Witwe Emily O’Connor den Zeugenstand nicht besteigen, um seine Vorstrafe als Dieb zu verbergen. Dadurch verliere er die Möglichkeit, persönlich sein Alibi zu erzählen – ein Risiko, das seine Anwält:innen eingingen, weil sie auf Freispruch wegen „mangelnder Beweise“ setzten.
### 5. Geschwindigkeit des Urteils
Nach nur 98 Minuten Beratung sprächen die Geschworenen Jimmy schuldig, William Redhead frei. Die Familie empfinde das als „Wahnsinn“: keine Beweise, keine Zeugen-Kredibilität, aber Todesstrafe – ein Urteil, das „nicht mit rechtsstaatlichen Maßstäben vereinbar“ wirke, so Ragnar O’Connor.
## Einordnung
Die Episode ist kein klassisches True-Crime-Format, sondern eine persönliche Aufarbeitung: BBC-Qualität trifft auf Familienmythos. Produziert wird akribisch recherchiertes Storytelling mit originalen Archivtönen (u. a. ein ITV-Interview mit Jimmy aus den 1970ern), Historiker-Statements und dramaturgischem Erzählbogen. Die Machart zeigt sich souverän: klare Chronologie, sparsame Re-enactments, stets offengelegte Quellenlücken („vollständiges Protokoll nie gefunden“). Kritisch bleibt, dass fast alle interviewten Stimmen – Familienmitglieder, befreundete Journalist:innen – das Fehlurteil-Postulat teilen; widersprechende Experten fehlen. So entsteht ein emotional starkes, aber inhaltlich einseitiges Plädoyer gegen die Todesstrafe und für einen Justizirrtum. Die gesellschaftliche Relevanz liegt darin, wie leicht Kriegschaos, Vorbestraftheit und Zeugen-Deals in einem Todesurteil münden konnten – ein Thema, das über 1941 hinausweist. Wer richtig-konservative Rache- oder Verschwörungsdiskurse erwartet, findet hier keine Plattform; es geht um menschliche Fehlbarkeit und historische Verfahrensfehler.
Hörempfehlung: Historisch interessierte Hörer:innen erhalten eine packende, wenn auch parteiliche Rekonstruktion eines Londoner Kriegsmords – perfekt inszeniert, mit britischem Understatement und familiärem Schmerz.