Der 11KM-Podcast beleuchtet die strukturellen Gründe für die anhaltende Bahn-Krise. Jan Zimmermann (ARD-Hauptstadtstudio) erklärt, dass die seit 1994 als AG organisierte Bahn jahrzehntelang unterfinanziert, auf Wirtschaftlichkeit getrimmt und politisch vernachlässigt wurde. Die marode Infrastruktur, das Verantwortungschaos dutzender Töchter und die Orientierung am Shareholder-Value hätten zu Verspätungen und Ausfällen geführt. Neue Chefin Evelyn Palla kündigt zwar „eine neue Ära“ an, doch ihr Spielraum sei eng: Sie müsse die vom Bund vorgegebene „Agenda für zufriedene Kunden“ umsetzen, die auf sichtbare, aber wenig tiefgehende Maßnahmen wie Sauberkeit und App-Verbesserung setzt. Mehr als 100 Mrd. Euro aus dem Sondervermögen sollen bis 2035 vierzig Hauptstrecken sanieren – doch selbst das reiche nicht für Netzausbau und Neubauten. Letztlich hänge der Erfolg nicht nur von der Bahn, sondern von politischen Rahmenbedingungen ab: klaren Zielen, kontinuierlicher Finanzierung und einer Strategie, die über kurzfristige Symptombekämpfung hinausgeht. ### T1: Die Bahnreform von 1994 habe die heutigen Probleme angelegt Zimmermann konstatiert, „dass dieses dieser Fokus auf reine Wirtschaftlichkeit, dass das eben einfach nicht funktioniert“. Die Privatisierungsabsicht habe dazu geführt, „dass nur attraktive Verbindungen sich sozusagen auf dem Markt behaupten“ und wenig rentable Strecken vernachlässigt würden. ### T2: Bundesregierungen jahrelang ohne Bahn-Fokus „Unter Merkel hatte die Bahn einfach nicht diesen Stellenwert, den sie haben oder hätte haben sollen“, bilanziert Zimmermann. Die chronische Unterfinanzierung sei ein Versäumnis verschiedener Bundesregierungen, nicht nur einzelner Minister. ### T3: Neue Chefin hat begrenzten Gestaltungsspielraum „Frau Palla muss am Ende das umsetzen, was die Bundesregierung von der Bahn erwartet“, hebt Zimmermann hervor. Der Bund bestimme über Rahmen und Mittel, weshalb viele Versprechen von der politischen Ebene abhängen. ### T4: 100-Milliarden-Sondervermögen reicht voraussichtlich nicht Laut Zimminger sagte Verkehrsminister Schnieder selbst, „dass es fehlt Geld für den Aus- und Neubau von Strecken, vor allem auf dem Land“. Selbst die laufenden Korridorsanierungen bis 2035 decken nur Teilbedarf; zusätzliche Bundesmittel seien unvermeidlich. ### T5: Schnell sichtbare Maßnahmen dienen eher dem „Gefühl“ Die angekündigten Sofortprogramme wie sauberere Toiletten oder bessere App gelten Experten zufolge als „Maßnahmen, ich würde mal sagen, eher fürs Gefühl“. Die echten Engpässe – marode Brücken, veraltete Stellwerke – blieben langfristige Baustellen. ### T6: Klare politische Strategie fehlt weiter Ohne gesamtstaatliche Zielvorgaben „was die Fahrgastzahlen anbelangt etc. und wie man das erreicht“, warnt Zimmermann, blieben viele Versprechen „noch weit davon entfernt, was wir als Bahnkunden uns vorstellen“. ## Einordnung Die Sendung arbeitet klassisch investigativ: ARD-Expertise trifft auf klar strukturierte Nachfragen, Fakten werden mit Archivmaterial belegt und mit Selbstkritik („meine subjektive Erfahrung“) reflektiert. Besonders wertvoll: Die Protagonistinnen bewerten nicht nur Symptome, sondern zeigen politische Verantwortungsstrukturen auf. Dass strukturelle Probleme nicht einzelnen Managern angelastet, sondern in historische und politische Rahmenbedingungen eingebettet werden, differenziert die Debatte. Kleinere Schwächen: Perspektiven von Fahrgäst:innen, Lok-Führpersonal oder Schienen-Bau-Beschäftigten fehlen; Gewerkschaftskritik wird nur referiert. Und die Botschaft „mehr Geld nötig“ bleibt abstrakt – wie viel Milliarden fehlen konkret, wäre nachvollziehbarer aufgeschlüsselt. Dennoch: ein informatives, sachlich fundiertes Update zur Bahn-Krise, das sich lohnt. Hörempfehlung: Wer verstehen will, warum trotz Milliarden-Investitionen Verspätungen alltäglich bleiben, erhält hier eine klare Analyse ohne Schwarz-Weiß-Malerei.