O Assunto: Carteira de motorista sem autoescola
Brasilien diskutiert das Ende der Fahrschulpflicht – ein Podcast beleuchtet Argumente für und wider die Reform.
O Assunto
11 min read1895 min audioDer brasilianische Podcast "O Assunto" behandelt in dieser Folge den Vorschlag der Regierung Lula, die Pflicht zum Besuch einer Fahrschule für die Führerscheinprüfung abzuschaffen. Hintergrund sind die hohen Kosten von umgerechnet 500-700 Euro und die Tatsache, dass etwa 20 Millionen Brasilianer:innen ohne Führerschein fahren. Die Reporterin Natuza Nery spricht mit zwei Verkehrsexpert:innen: Paulo Cesar Marques da Silva spricht sich für die Abschaffung aus und argumentiert, dass das bisherige System Menschen vom legalen Führerschein abhalte und keine bessere Verkehrssicherheit biete. David Duarte Lima warnt vor einer weiteren Entwertung der Fahrausbildung und fordert stattdessen strengere Prüfungen und Kontrollen. Beide Expert:innen kritisieren, dass die praktischen Prüfungen nicht auf reale Verkehrssituationen vorbereiten – etwa wegen der berüchtigten Einpark-Übung statt Fahren im echten Stadtverkehr.
### 1. Fahrschulpflicht könnte 70 Prozent der Kosten sparen
Der Verkehrsexperte Paulo Cesar Marques da Silva erklärt, dass die Pflichtstunden in Fahrschulen etwa 70 Prozent der Gesamtkosten für die Fahrerlaubnis verursachen. Er schätzt, dass durch die Streichung dieser Pflicht die Preise um bis zu 80 Prozent sinken könnten. Dies würde mehr Menschen den legalen Weg zum Führerschein ermöglichen. "Es ist ein Fakt, dass es teuer ist, eine Fahrschule zu besuchen – manchmal kostet der komplette Kurs 3.000, 4.000 oder sogar 5.000 Reais", so Marques da Silva.
### 2. Millionen fahren ohne Prüfung – besonders Motorradfahrer:innen
Etwa 20 Millionen Brasilianer:innen sitzen laut Nationaler Verkehrsbehörde ohne Führerschein am Steuer. Besonders betroffen sind Motorradfahrer:innen: Schätzungsweise die Hälfte der 33 Millionen Motorradbesitzer:innen besitze keine gültige Fahrerlaubnis. Gleichzeitig seien Motorradfahrer:innen die Gruppe mit den meisten Verkehrstoten. Der Ipea-Forscher Elivelton Guedes bestätigt, dass bei Motorradunfällen besonders hohe Zahlen zu verzeichnen seien.
### 3. Andere Länder verzichten auf Fahrschulpflicht – mit Erfolg
Marques da Silva verweist auf skandinavische Länder und das Vereinigte Königreich, die ohne Fahrschulzwang auskommen und dennoch sicherere Straßen hätten. Länder mit Fahrschulpflicht wie China, Russland oder Portugal seien hingegen keine Vorbilder in Sachen Verkehrssicherheit. Entscheidend seien qualitativ hochwertige praktische Prüfungen im realen Straßenverkehr und konsequente Kontrollen.
### 4. Kritik an Prüfungen: Zu leicht und unrealistisch
David Duarte Lima bemängelt, dass die derzeitigen Prüfungen – etwa das berüchtigte Einparken – nicht auf den Alltag vorbereiten. Die Motorradprüfung beschränke sich auf langsames Manövrieren auf einem Übungsplatz, statt echte Verkehrssituationen abzubilden. Er plädiert dafür, die Ausbildung qualitativ zu verbessern statt die Fahrschulpflicht abzuschaffen.
### 5. Angst vor Jobverlusten in der Fahrschulbranche
Die brasilianische Fahrschul-Branche beschäftigt laut Gewerkschaft 15.000 Betriebe. Deren Vertreter:innen fürchten, dass die geplanten Regelungen tausende Arbeitsplätze kosten und die Verkehrssicherheit leiden könnte. Der Vizepräsident der Nationalen Föderation betont, Fahrschulen seien derzeit der einzige Zugang zur Verkehrserziehung für viele Brasilianer:innen.
## Einordnung
Die Episode zeigt ein klassisches journalistisches Format, das verschiedene Perspektiven zu einem politischen Streitthema einfängt. Die Expert:innen kommen aus unterschiedlichen Lagern und erhalten etwa gleich viel Redezeit. Die Moderation bleibt sachlich, stellt klare Nachfragen und verzichtet auf Wertungen – ein Vorbild für ausgewogenen Journalismus. Positiv: Zahlen und Studien werden durchweg mit Quellen belegt, internationale Erfahrungen einbezogen und auf die sozialen Folgen der hohen Führerscheinkosten eingegangen. Kritisch: Die Stimme der Betroffenen – etwa der 20 Millionen Menschen ohne Führerschein – fehlt vollständig. Auch die Position der Fahrschulgewerkschaft wird nur durch einen kurzen Statement vertreten, ohne konkrete Alternativen oder Kompromisse zu diskutieren. Der Fokus liegt stark auf der Verkehrssicherheit, wirtschaftliche oder soziale Auswirkungen der geplanten Reform bleiben unterbelichtet. Insgesamt liefert die Sendung eine solide Einführung in das Thema, fordert aber nicht zur weiteren Recherche oder zum kritischen Hinterfragen auf.