O Assunto: O julgamento de Bolsonaro aos olhos do mundo
Podcast über den brasilianischen Prozess gegen Jair Bolsonaro und seine Bedeutung für die Demokratie weltweit.
O Assunto
25 min read1892 min audioDer brasilianische Podcast „O Assunto“ widmet sich in dieser Folge der internationalen Aufmerksamkeit für den Prozess gegen Ex-Präsident Jair Bolsonaro wegen versuchten Staatsstreichs. Moderatorin Natuza Nery spricht mit Marina Dias (The Washington Post) und Marcelo Lins (GloboNews) über die Bedeutung des Verfahrens für die Demokratie, die Parallelen zum Sturm auf das US-Kapitol und die geopolitischen Folgen.
### 1. Brasilien führt ersten Prozess gegen Ex-Präsidenten und Militärs wegen versuchten Staatsstreichs
Marina Dias betont, dass Brasilien mit diesem Verfahren weltweit Aufmerksamkeit erzielt, weil es sich um eine historische Premiere handle: Zum ersten Mal werde ein ehemaliger Präsident und ranghohe Militärs für einen Putschversuch vor Gericht gestellt. Die USA schauten deshalb besonders aufmerksam zu, weil dort nach dem Sturm auf das Kapitol im Januar 2021 zwar Hunderte Demonstrant:innen verurteilt, aber keine politisch Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen wurden. Donald Trump habe nach seiner Rückkehr ins Weiße Haus sogar 1.500 Beteiligte begnadigt.
### 2. Internationale Presse wertet Prozess als „Demokratie-Lektion“
Lins führt aus, europäische Medien wie El País, La Repubblica oder Le Monde Diplomatique bezeichneten das Verfahren als historisch und richtungsweisend. Der brasilianische Rechtsstaat sende ein Signal gegen Impunität und zeige, dass „nicht alles ungestraft bleiben“ dürfe, was geschehen sei. Besonders in Ländern mit demokratischem Rückschritt – etwa Ungarn, El Salvador oder die Türkei – werde verfolgt, wie Brasilien mit dem autoritären Erbe umgehe.
### 3. US-Regierung nutzt wirtschaftlichen Druck, um Verfahren zu beeinflussen
Dias berichtet, dass Präsident Trump Brasilien mit 50 % Zusatzzöllen belegte und Supreme-Court-Richter Alexandre de Moraes mit Sanktionen unter Magnitsky-Regelung belegte. Die offizielle Begründung: Das Verfahren sei eine „Hexenjagd“. In Washington werde bereits diskutiert, ob Trump angesichts fehlender Erfolge seine Aufmerksamkeit bald anderen Themen zuwenden könnte.
### 4. China und Indien beobachten geopolitische Folgen mit wirtschaftlichem Interesse
Lins erklärt, Peking und Neu-Delhi verfolgten den Konflikt, weil sie durch US-Zölle stärker auf sich aufmerksam gemacht würden. China habe Brasilien bereits Unterstützung gegen die US-Maßnahmen signalisiert und sehe die Krise als Chance, seine Präsenz in Lateinamerika auszubauen.
### 5. Argentinisches und chilenisches Desinteresse wird mit eigenen politischen Krisen erklärt
Beide Länder steckten in schweren innenpolitischen Auseinandersetzungen – in Chile die Nachfolge von Präsident Boric, in Argentinien Korruptionsvorwürfe gegen Milei („Criptogate“). Weil Argentinien und Chile frühere Militärdiktatoren bereits vor Gericht gestellt hätten, sei das brasilianische Verfahren für sie weniger brisant.
### 6. Prozess wird als Präzedenz gegen Amnestie-Kultur gewertet
Lins betont, Brasilien habe bisher geglänzt, „große Probleme nicht zu lösen“ und stattdessen Amnestien zu verhängen. Das aktuelle Verfahren könne zeigen, dass unabhängige Institutionen Verfassungsbruch ahnden und so demokratische Rückschläge künftig erschweren.
## Einordnung
Die Sendung positioniert sich klar als Plädoyer für die strafrechtliche Ahndung des 8.-Januar-Versuchs und wertet das Verfahren als Fortschritt für die Demokratie. Dabei bleibt der Fokus auf der internationalen Wahrnehmung; inhaltliche Kritik an brasilianischen Institutionen oder an der politischen Strategie der Anklage wird kaum artikuliert. Die Expert:innen präsentieren sich als moralische Gewissensinstanzen, ohne ihre eigenen Macht- und Deutungsansprüche zu hinterfragen. Die Diskussion verläuft weitgehend konsensual; alternative Sichtweisen – etwa zur Rolle der USA oder zur Gefahr politischer Justiz – bleiben ausgespart. Die journalistische Leistung liegt in der souveränen Einordnung geopolitischer Zusammenhänge; die Sendung wirbt jedoch eher für eine bestimmte Lesart des Geschehens, als echte Kontroversen auszuhalten.