Echo der Zeit: Überraschender Rücktritt des französischen Premiers Lecornu
Die SRF-Politiksendung „Echo der Zeit“ analysiert den überraschenden Rücktritt des französischen Premierministers und die strukturelle Krise der Macron-Ära.
Echo der Zeit
12 min read2564 min audioKontext: Die Sendung „Echo der Zeit“ von Radio SRF ist eine klassische Nachrichten-Politik-Sendung mit journalistischem Anspruch. Ivan Lieboher führt durch die knapp 35-minütige Ausgabe vom 6. Oktober 2025.
Hauptsprecher: Ivan Lieboher (SRF-Moderator), Soe Geisler (Korrespondentin in Frankreich).
Hauptthema: Der überraschende Rücktritt des französischen Premierministers Sébastien Lecornu nach nur vier Wochen im Amt – und seine Folgen für Frankreichs politische Krise.
### 1. Lecornu wirft den Parteien mangelnde Kompromissbereitschaft vor
Lecornu habe „die Bedingungen nicht mehr gegeben“ gesehen, um Premierminister zu bleiben. Er kritisiere, „dass die Parteien nicht hätten verstehen wollen, dass er dem Parlament wieder mehr Macht geben wollte“, etwa durch den Verzicht auf den umstrittenen Verfassungsartikel 49.3, mit dem Regierungen Gesetze ohne Parlamentsabstimmung durchdrücken können.
### 2. Die konservativen Republikaner erheben offen Kritik an der eigenen Regierung
Nicht nur die Opposition, auch die Regierungspartner der Republikaner seien „verärgert“ über die neue Kabinettsliste gewesen. Parteichef Bruno Retailleau habe „die Zusammensetzung der Regierung gar nicht gut tiere“. Hauptstreitpunkt sei die Rückkehr des früheren Wirtschaftsministers Bruno Le Maire, der für die hohe Staatsverschuldung verantwortlich gemacht werde.
### 3. Macron steht nach fünffachem Personalwechsel unter Druck – drei Optionen bleiben
Lecornu war bereits der fünfte Premierminister seit Macrons Wiederwahl 2022. Macron gebe Lecornu bis Mittwochabend eine „letzte Chance“, eine Mehrheit zu finden. Alternativ bleibe ihm nur: eine neue Kandidatin oder einen neuen Kandidaten aus dem linken Lager zu nominieren, die Nationalversammlung erneut aufzulösen – oder selbst zurückzutreten.
### 4. Neue Wahlen würden wahrscheinlich keine Mehrheit bringen – aber die Rechten stärken
Umfragen zeigen, dass sich die Machtverhältnisse „nicht grundlegend verändern“ würden. Allerdings könnte das Rassemblement National (Rechtspopulisten) „die stärkste Kraft werden“, während Linke, Macronisten und Republikaner an Zustimmung verlieren dürften. Auch danach würde es „keine klare Mehrheiten“ geben.
## Einordnung
Die Sendung arbeitet klassisch aufklärerisch: klar strukturiert, mit Originalzitaten auf Französisch und deutscher Übersetzung, und gibt den Hörer:innen ein differenziertes Bild der französischen Regierungskrise. Auffällig ist die nüchterne Distanz: Weder werden Dramatisierungen bedient, noch Spekulationen angeheizt. Stattdessen wird die politische Blockade als strukturelles Problem präsentiert – ein Vorteil für Publikum:innen, die sich orientieren wollen. Die Expertise der Korrespondentin Soe Geisler liefert nötigen Kontext zu Macrons strategischen Optionen und den Machtverhältnissen im Parlament. Der Fokus bleibt auf dem „Wie“ der politischen Verhandlungen statt auf Personenkult oder Boulevard-Geplänkel. Für eine tägliche Nachrichtensendung ist dies ein Musterbeispiel gelassener, informierender Berichterstattung.
Hörempfehlung: Wer sich schnell, faktenreich und ohne Polemik über die aktuelle französische Politik informieren will, findet hier eine verlässliche Quelle.