Linda Zervakis diskutiert mit den ARD-Korrespondenten Jan-Peter Bartels (SPD-Beobachter) und Hans-Joachim Vieweger (Union-Beobachter) über die Debatte um Sozialreformen und die 34-Milliarden-Haushaltslücke 2027. Dabei stehen Kürzungsvorschläge für Bürgergeld, Rentenreformen und Steuererhöhungen im Fokus. ### Die Haushaltslücke 2027 sei vor allem durch „Versteinerung“ bedingt Ein Großteil der Ausgaben sei durch irreversible Beschlüsse wie Mütterrente oder Energiepreishilfen blockiert. Die Politik habe sich selbst in eine Zwangslage manövriert, weil immer mehr Haushaltsmittel verplant seien und künftige Spielräume fehlten. ### Bürgergeld-Kürzungen seien symbolpolitisch wirksam, aber fiskalisch wenig ergiebig Obwohl 47 Mrd. Euro jährlich fließen, lasse sich durch Regelsatzkürzungen kaum sparen; Bestandsschutz und Verfassungsrecht erschwerten Eingriffe. Die Debatte werde geführt, weil viele Wähler:innen das System als ungerecht empfinden, wenn Erwerbslose nahezu so viel erhielten wie Geringverdiener:innen. ### Rente: „Heilige Kühe“ blockieren schnelle Reformen Die CSU bestehe auf der teuren Ausweitung der Mütterrente (4,5 Mrd. Euro jährlich), die SPD lehne Kürzungen des Rentenniveaus kategorisch ab. Experten:innen nennen nur drei Optionen: höhere Beiträge, längeres Arbeiten oder niedrigere Renten – alle drei seien politisch heikel. ### Steuererhöhungen stünden unionsintern auf der Abschussliste Friedrich Merz habe sich gegen neue Belastungen für Unternehmen und Vermögende ausgesprochen. Eine Wiedereinführung der Vermögensteuer scheitere an bürokratischen Hürden und Befürchtungen, Investitionen abzuwürgen; stattdessen werde über Erbschaftsteuer-Loopholes diskutiert. ### Kommissionen sollen heikile Entscheidungen vorbereiten Sowohl zu Pflege, Rente als zum Sozialstaat beruft die Koalition Expertengremien. Kritiker:innen befürchten, damit würden unpopuläre Reformen auf Sankt-Nimmerleins-Day verschoben; Befürworter:innen sehen Chancen für breite gesellschaftliche Aufklärung und nachhaltige Kompromisse. ## Einordnung Der Podcast liefert eine professionelle, sachliche Einordnung der Haushalts- und Sozialdebatte. Die Korrespondenten:innen gelten als Insider:innen und erklären komplexe Zusammenhänge anschaulich; interne Widersprüche und Machtspiele werden offen benannt. Auffällig ist jedoch, dass soziale Ungleichheit und Verteilungsfragen fast ausschließlich innerhalb des bestehenden Systems diskutiert werden – eine grundsätzliche Kritik an Wachstumszwang oder an der Schuldenbremse bleibt aus. Linke und ökologische Perspektiven fehlen ganz; die Debatte verläuft zwischen Union und SPD ohne Gäste aus Gewerkschaften, Sozialverbänden oder kritischen Wirtschaftsforscher:innen. Dadurch wirkt die Diskussion zwar versiert, aber eng gefasst: Die zentrale Leitfrage lautet nicht „Wie viel Sozialstaat wollen wir?“, sondern „Wie finanzieren wir ihn bei gegebenen Sparzwängen?“. Die Sendung ist damit eine klare Entscheidungshilfe für Hörer:innen, die sich für Haushaltspolitik und Koalitionsdynamik interessieren – sie bietet aber keine überraschenden Perspektiven außerhalb des Berliner Konsenses.