So bin ich eben! Stefanie Stahls Psychologie-Podcast für alle "Normalgestörten": Gute Therapie erkennen: Worauf du bei Therapeut:innen achten solltest
Die Psycholog:innen Stefanie Stahl und Lukas Klaschinski geben Orientierung, wie man eine passende Therapie findet und wann man sie braucht.
So bin ich eben! Stefanie Stahls Psychologie-Podcast für alle "Normalgestörten"
53 min read2952 min audioStefanie Stahl und Lukas Klaschinski erklären, warum die Chemie zwischen Klient:in und Therapeut:in wichtiger sein könnte als die Therapieform. Sie diskutieren Warnsignale wie mangelnde Empathie, Grenzüberschreitungen und Manipulation, geben Orientierung bei Wartelisten und Kassenplätzen und beantworten konkrete Hörerfragen. Ein Fokus liegt darauf, wie man merkt, ob die eigene Belastung schon therapiewürdig ist und wie man sich nach fünf Probesitzungen entscheidet, ob man wechselt oder bleibt.
### Die therapeutische Beziehung entscheidet mehr über Erfolg als die Methode
Es gebe starke Evidenz, dass "Empathie, bedingungslose Wertschätzung und Kongruenz" (Carl Rogers) den größten Einfluss auf Therapieerfolg hätten, während die Schulzugehörigkeit eher nachrangig sei. Stahl berichtet von einer Klientin, die nach einem Wechsel von einer "sachlich-analytischen" zu einer "einfühlsameren" Therapeutin deutlich besser vorankam, obwohl die Methodik der Ersttherapeutin fachlich einwandfrei gewesen sei.
### Wann eine Therapie sinnvoll ist – Leidensdruck statt Diagnose
Ein Leidensdruck, der Alltag, Beziehungen oder Arbeit spürbar einschränke, gelte als zentraler Indikator. Typische Warnsignale seien anhaltende Niedergeschlagenheit, Grübeln ohne Fortschritt, Panikattacken oder psychosomatische Beschwerden. Selbstzweifel wie "Ich nehme jemandem den Platz weg" würden oft gerade bei Menschen mit geringem Selbstwert auftreten und seien zusätzlich ein Grund, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
### Rote Flaggen: Grenzüberschreitungen und Manipulation
Die Moderator:innen lesen eine Hörermail vor, in der eine Therapeutin abfällige Kommentare mache, private Details anderer Patient:innen preisgebe und Abhängigkeit erzeuge. Als Ausstieg reiche eine einfache Absage per E-Mail; ein Gespräch sei nur sinnvoll, wenn keine Gefahr bestehe, erneut manipuliert zu werden. Weitere Warnzeichen seien mangelnde Struktur, übermäßige Selbstoffenbarung oder Druck ausgeübt durch die Therapeutin.
### Praxis-Tipps: Wartelisten, Kassenplätze und Erstgespräch
Wer nicht wolle oder könne lange auf Kassenplätze warten, solle Selbstzahler:innen oder Heilpraktiker:innen in Betracht ziehen. Im Erstgespräch empfehlen die Sprechenden, weniger nach Methodik zu fragen, sondern zu spüren, ob "die Chemie stimmt" und ob bereits nach wenigen Sitzungen erste Erkenntnisse oder Lösungsideen entstehen. Nach fünf Probesitzungen könne man klar entscheiden, ob man bleibe oder wechsle.
## Einordnung
Die Folge wirkt wie eine Mischung aus Aufklärung und Beruhigungspille: Zwei promovierte Psycholog:innen erklären in gewohnt entspannter Plauder-Tonlage, dass Therapie keine Schande und kein Luxus sei, sondern eine Form von "Bewegung fürs Gehirn". Dabei bleiben sie konsequent auf der Metaebene: Sie sprechen nicht über konkrete Störungsbilder, sondern darüber, wie man sich selbst einschätzen und eine passende Begleitung finden kann. Die Expertise der Sprechenden verleiht dem Format Seriosität, ohne erhobenen Zeigefinger; wissenschaftliche Konzepte wie Rogers' Bedingungen oder der Placebo-Effekt werden alltagstauglich verpackt. Kritikwürdig ist lediglich die kurze Werbe-Sequenz für ein teures Event und die flapsige Bemerkung, dass man "tatsächlich auch mal ChatGPT fragen" könne – das relativiert die professionelle Reichweite ein wenig. Insgesamt liefert die Episode eine wertvolle Orientierungshilfe für alle, die vor der Entscheidung stehen, professionelle Unterstützung anzunehmen oder nicht.