Maybrit Illner diskutiert mit ukrainischem UN-Botschafter Andrij Melnyk, CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen, Grünen-Europaabgeordneter Hannah Neumann, Strafrechtsprofessor Reinhard Merkel und CNN-Korrespondent Frederik Pleitgen über neue US-Sanktionen gegen russische Ölgesellschaften und die Finanzierung der Ukraine durch eingefrorene russische Vermögenswerte. Die Gäste analysieren die Wirkung der Sekundärsanktionen, Trumps schwankende Position und die EU-Pläne, 140 Milliarden Euro für die ukrainische Verteidigung zu mobilisieren. Dabei spiegeln sich unterschiedliche Einschätzungen über Machbarkeit, Völkerrechtskonformität und langfristige geopolitische Folgen. ### US-Sanktionen könnten russische Ölexporte lähmen Norbert Röttgen betont, durch die US-Sanktionen seien nun 80 % der russischen Ölexporte und damit 25 % der russischen Staatseinnahmen betroffen; Sekundärsanktionen verschärften den Effekt, weil jedes Unternehmen den Zugang zum Dollarraum verliere. Röttgen: „Das sind die Sekundärsanktionen und die, die mit Rosneft jetzt Geschäfte machen wollen weiterhin, müssen wissen, das kann sie den Zugang zum gesamten Dollarraum … kosten.“ ### EU will russisches Zentralbankvermögen als Sicherheit nutzen Reinhard Merkel erklärt, die EU plane, 140 Milliarden Euro eingefrorenes russisches Staatsvermögen als stiller Rückhalt für Kredite an die Ukraine zu verwenden, ohne das Völkerrechtsverbot der Enteignung zu brechen. Merkel: „Es geht darum, dieses Vermögen … als Hintergrundsicherung zu behalten für 150 Milliarden Euro, die die EU an die Ukraine geben will.“ ### Trump bleibt unberechenbar Frederik Pleitgen zeigt sich vorsichtig: Trump habe bei der Ankündigung sofort ein Hintertürchen offengelassen, indem er hoffte, die Sanktionen würden nicht ewig gelten. Auch russische Staatsmedien deuteten weiter Gesprächs­bereitschaft an. Pleitgen: „Man hat von Donald Trump … schon den ein oder anderen Kurswechsel gesehen.“ ### Streit über Reparationsforderungen und Doppelstandards Merkel warnt, niemals habe eine Großmacht nach Aggressionskriegen Reparationen gezahlt; gelänge es gegen Russland, entstehe eine „gespaltene Zunge“ des Völkerrechts. Röttgen hält dagegen, das Völkerrecht müsse für alle gelten, sonst würde man Großmächte privilegieren. Merkel: „Keine Großmacht wird … zugeben, dass sie völkerrechtswidrige Angriffskriege geführt haben.“ ### Europäische Staaten könnten längst blank sein Illner konfrontiert die Tischrunde mit Zahlen, wonach einzelne EU-Staaten kaum noch Haushaltsspielraum hätten; nur Deutschland verfüge über Zahlungsfähigkeit. Röttgen bestätigt: „Unter den großen Volkswirtschaften Europas … sind alle außer Deutschland haben ein Verschuldungsproblem.“ ### Friedensplan ohne Gebietsabtretung Ein europäischer Zwölf-Punkte-Plan fordere Waffenstillstand auf der aktuellen Front, Rückführung deportierter Kinder und ukrainisch-russische Verhandlungen, jedoch keine territorialen Zugeständnisse. Röttgen: „keiner das Recht hat, … Territorium eines unabhängigen Landes … zu übergeben.“ ## Einordnung Die Runde wirkt wie ein Mikrokosmos westlicher Selbstvergewisserung: Alle Beteiligten sind sich einig, dass Putin „Druck“ brauche und der Westen endlich „durchgreifen“ müsse. Dabei bleibt das entscheidende Leerstelle: konkrete, realistische Verhandlungsmodelle, die Moskau bewegen könnten, den Krieg zu beenden. Stattdessen dominieren juristische Kunstgriffe (Beleihung statt Enteignung) und symbolische Sanktionseschläuche, ohne dass die Diskussion die Machtasymmetrie thematisiert: Russland ist Nuklearmacht, die Ukraine ist angewiesen auf kontinuierliche Geld- und Waffenlieferungen. Die Sendung inszeniert Entschlossenheit, lässt aber außen vor, dass westliche Sanktions- und Reparationsforderungen im globalen Süden als selektive Doppelstandards wahrgenommen werden. Kritische Fragen – etwa, warum frühere Eskalationsstrategien gescheitert sind oder ob Militärschlüssel allein Frieden erzwingen können – werden kaum gestellt. Der Fokus auf Finanzinstrumenten und Sanktionen verengt die Debatte auf technische Lösungen, statt politische Alternativen auszuloten. So bleibt der Eindruck einer Sendung, die vor allem die eigene Narrativkette bestätigt: Wir halten Russland militärisch und moralisch in Schach – nur fehlt der Nachweis, dass dies tatsächlich zu einem nachhaltigen Frieden führt.