Kontext: Der deutsche Mystery-True-Crime-Podcast „Schwarze Akte“ beleuchtet in dieser Folge den spektakulären Aufstieg und Fall von Kai the Hitchhiker: einem Tramper, der 2013 in Fresno eine Frau mit einem Beil vor einem Angreifer rettete, viral wurde und wenig später wegen Mordes an einem 73-jährigen Anwalt verurteilt wurde. Die Hosts Anne Luckmann und Patrick Strobusch rekonstruieren das Geschehen ausgiebig, sprechen mit vielen Details über Gewalt, mögliche Vergewaltigung und Kindheitsmissbrauch und stellen die Frage, wie sehr wir jemandem vertrauen, den wir nur aus einem Clip kennen. ### Tathergang in Fresno: Rettung mit Axt und viral gehendes TV-Interview Kai habe mit seinem Beil auf den Täter eingeschlagen, „Smash, Smash, Smash“ gerufen und damit einer Arbeiterin das Leben gerettet; das sechsminütige Interview mit dem lokalen TV-Sender KMPH mache ihn binnen Tagen zum Internet-Helden. ### Mediale Karriere und Hype: Von Jimmy Kimmel bis Kardashian-Anfragen Nach dem Viral-Hype erhalte Kai Einladungen zu „Jimmy Kimmel Live“, Anfragen von Reality-Produzenten und Musik-Labels; seine skurrile, oft direkt in die Kamera gesprochene Botschaft („Ihr seid liebenswert …“) wirke wie eine bewusste Ansprache an Fans. ### Zweifel an der Helden-Narrative: Kritik an Selbstjustiz und Kamera-Gehabe Kritiker:innen warnen, man verkläre einen mutmaßlichen Totschlag zum Heldenmythos; Kai habe sich selbst gern im Mittelpunkt gesehen, was unter anderem daran sichtbar sei, dass er während Gerichtsprozessen Kameras fokussiert habe. ### Später Mordprozess in New Jersey: Notwehr-These vs. „übermäßige Gewalt“ Bei Prozessbeginn 2019 erkläre Kai, er habe den Anwalt nach einer vermeintlichen Drohung mit „Notwehr“ totgeschlagen; die Jury sehe die zahlreichen Schläge gegen einen 73-Jährigen aber als Mord ersten Grades und verhänge 57 Jahre Haft. ### Kontroverse um ungeklärte Kindheitsgeschichte und Glaubwürdigkeit Kai wirft seiner Familie schweren Missbrauch vor, Eltern bestreiten weitgehend; Luckmann und Strobusch diskutieren offen, wie schwer es sei, Fakt von Selbstinszenierung zu trennen, wenn Aussagen teils widersprüchlich seien und kaum unabhängige Beweise existieren. ## Einordnung Die Episode ist klassisches Unterhaltungs-Format: zwei Stunden detailverliebte, aber selektive Rekonstruktion, bei der die Hosts viel Raum für wörtliche Zitate, Geräusch- und Gefühlsdetails lassen. Journalistische Tiefe entsteht kaum: Es gibt keine unabhängigen Expert:innen, keine Recherche zu häuslicher Gewalt, zu sexualisierter Gewalt oder zur Verantwortung von Medien bei Viral-Hypes. Stattdessen wiederholen die Moderator:innen häufig, „wie schwer“ die Einschätzung sei, ohne Quellen oder Gegenstimmen einzuholen. Die Gesprächshaltung bleibt voyeuristisch: Sie durchleuchten Kais Aussagen auf Widersprüche, aber sie hinterfragen nicht, warum ein Sender einem Protagonisten erlaubt, direkt in die Kamera zu appellen, oder welche Rolle die Boulevardisierung von Gewalt spielt. Die einzige Perspektive, die durchgehend zitiert wird, ist die von Kais Fans und von Autor:innen, die sein Unschuldsnarrativ bedienen; Josephs Angehörige oder Gerichtsmediziner:innen kommen nur kurz vor. Letztlich reproduziert die Folge exakt das Muster, das sie angeblich kritisch beleuchtet: Sie bietet das Spektakel, die Axt-Sounds, die Memes – und lässt die Frage offen, ob das Helfen oder Schaden anrichtet. Für Hörer:innen, die sich auf stichhaltige Aufklärung statt auf rätselratendes „Wir-wissen-nie-was-wirklich-wahr-ist“ freuen, ist das keine empfehlenswerte Quelle. Hörwarnung: Wer eine seriöse Analyse von Justizfehlern, Medienverantwortung und sexualisierter Gewalt sucht, wird hier mit zweieinhalb Stunden Unterhaltung statt Aufklärung beliefert.