Der zweite Gastauftritt des Kabarettpreisträgers Thomas C. Breuer bei "Sounds of Science" führt durch sein neues Buch "Gesünder kränkeln – Wohlfühlatlas zum Stabilbleiben". Im Gespräch mit Moderator Matthias Schüßler liest Breuer mehrere Texte vor, darunter die Kapitel "Askese" und "Powernap", und erzählt vom Schreibprozess, seinen 430 Notizbüchern und der Freude an kleinen Lesungen in Bibliotheken und Wohnzimmern. ### Die Askese-Industrie als Selbstzweck Breuer spieße eine Szene auf, in der Verzicht zum Lebensinhalt werde. Er schildere einen Protagonisten namens Olli, der "aggressiv" auf Fisch, Alkohol, Zucker und sogar Vokale verzichte und daraus eine Karriere als Workshop-Leiter mache. Das Zitat: "Essen an sich ist ein Angriff auf die körperliche Unversehrtheit und sollte vom Grundgesetz grundsätzlich verboten werden" verdeutliche die karikaturistische Überzeichnung. ### Die Macht der Kürze Breuer erkläre, mit zunehmendem Alter habe er gelernt, Texte zu komprimieren. Er schneide alles weg, was "unsinniger Ballast" sei. Die kurze Form sei angemessen für eine Zeit, in der die Message "deutlich und klar" sein müsse. Als Beispiel liest er die Fragenliste aus dem Epilog vor, in der historische Figuren mit Alltagsprodukten konfrontiert werden: "Hätte John Lennon ‚Imagine‘ an Birkenstock verscherbelt?" ### Humor als Distanzmittel Breuer betone, sein Ziel sei es, Menschen dabei zu helfen, sich selbst und die Welt nicht zu wichtig zu nehmen. Die Trump-Angst etwa werde kleiner, wenn man erkenne, dass nur 30 % seiner Tweets Realität würden. Humor schaffe Distanz ohne Gleichgültigkeit – ein zentrales Versprechen des Buches. ### Die Obsession mit Optimierung Das Kapitel „Powernap“ werde zur Satire auf die Selbstoptimierungskultur. Breuer parodiere wissenschaftliche Studien und Marktversprechen: „Der Powernapper weise eine deutlich erhöhte Leistungsbereitschaft auf“ – bis hin zur Volkshochschule für Nickerchen. ### Wohnzimmerlesungen und Grenzen Breuer berichte von intimen Lesungen in Privatwohnungen, die er mittlerweile meide. Einmal sei er in eine Familie geraten, in der am Vortag der Vater gestorben sei. Die Stimmung sei „furchtbar“ gewesen – ein Beispiel dafür, dass auch Humor Grenzen kenne. ## Einordnung Das Gespräch ist ein liebevolles Plädoyer für gelassenen Humor in Zeiten von Selbstoptimierung und Angst. Breuer nutzt das Format, um pointiert und ohne erhobenen Zeigefinger die Absurditäten der Wellness- und Leistungsgesellschaft zu entlarven. Die Moderation bleibt zurückhaltend, gibt Breuer viel Raum für Anekdoten und Textbeispiele. Kritikwürdig ist lediglich, dass weder Breuer noch Schüßler die soziale Dimension der Gesundheitsversprechen hinterfragen – etwa wer sich überhaupt leisten kann, sich „gesünder zu kränkeln“. Dennoch gelingt dem Podcast, was das Buch verspricht: ein wohltuendes Schmunzeln über die eigene und fremde Neurosen. Hör:innen, die sich für scharfsinnige Beobachtungen und sprachliche Eleganz begeistern können, sind hier genau richtig. Wer hingegen strukturierte Anleitungen oder wissenschaftliche Tiefe erwartet, wird enttäuscht sein.