Der Podcast "O Assunto" mit Natuza Nery und dem Politikwissenschaftler Carlos Melo analysiert die aktuelle Krise des brasilianischen Rechtspopulismus nach Trumps Strafzöllen und neuen Indizierungen gegen Jair und Eduardo Bolsonaro. Laut Umfragen würden 52 % der Brasilianer:innen glauben, dass Bolsonaro an einem Putschversuch beteiligt war, 69 % sehen in Eduardos US-Lobbyismus Eigeninteressen. Melo beschreibt die rechte Szene als „gefangen in ihrer Blase“ und erkennt eine vorläufige Hegemonie des „Anti-Bolsonarismus“. Die möglichen Präsidenskandidaten der Rechten – Tarcísio de Freitas, Ratinho Júnior, Ronaldo Caiado und Romeu Zema – stehen vor einem Dilemma: Sie brauchen Bolsonaros Wählerbasis, wollen aber dessen juristisches und politisches Risiko nicht mittragen. Gleichzeitig fehlt der Linken nach Lula eine offensichtliche Nachfolgeregeneration. ### 1. Trump-Tarifa als Eigentor für die Bolsonaro-Familie Die von Eduardo Bolsonaro initiierte Strategie, über Donald Trump Druck auf Brasilien auszuüben, sei bei 72 % der Bevölkerung auf Ablehnung gestoßen. Melo konstatiert: „Die Familie Bolsonaro ist von ihrer Blase entführt worden.“ ### 2. Neue Indizierung wegen Beeinflussung des Gerichtsverfahrens Die Bundespolizei habe Jair und Eduardo Bolsonaro wegen Nötigung im laufenden Prozess um den Putschversuch angeklagt. WhatsApp-Sprachnachrichten wie „wir müssen entscheiden, ob wir Brasilien helfen oder das STF stoppen“ würden dies belegen. ### 3. Mehrheit hält Haft für gerecht 55 % der Befragten erachteten die gegenwärtige Hausarrest-Maßnahme gegen Bolsonaro als „gerecht“, nur 39 % als „ungerecht“. Die Zahlen signalisierten eine stabile Ablehnung des Ex-Präsidenten. ### 4. Tarcísio de Freitas zwischen zwei Stühlen Der Gouverneur von São Paulo müsse sich bis April 2026 für eine Präsidentschaftskandidatur entscheiden, benötige aber „Bolsonaros Segen“ – und dessen Unterstützung könne wegen des späten Urteils erst im März feststehen. Melo: „Diese Zeitpläne passen nicht zusammen.“ ### 5. Rechte Splitterung begünstigt Lula Die Opposition habe Lula „einen großen Gefallen getan“, indem sie ihm die Themen „Arme gegen Reiche“ und „Verteidigung der Institutionen“ überließ. Dadurch wachse dessen Wiederwahl-Chance. ### 6. Führungsvakuum nach Lula Die Linke habe „keinen natürlichen Nachfolger“ für Lula. Bei einem möglichen sechsten PT-Mandat bis 2030 drohe ein „natürlicher Verschleiß“, während rechte und linke junge Politiker:innen noch reifen müssten. ## Einordnung Das Format erfüllt professionelle journalistische Standards: klare Trennung von Moderation und Expertise, durchgehende Faktenchecks und Einordnung durch Umfragen. Carlos Melo liefert differenzierte Analysen, vermeidet Spekulationen und macht die komplexen Machtverhältnisse innerhalb der brasilianischen Rechten transparent. Kritisch bleibt, dass die Perspektive von Bolsonaro-Anhänger:innen kaum vorkommt; die Episode verstärkt damit den „Anti-Bolsonarismus“-Frame, ohne rechte Gegenstimmen zu legitimieren. Dennoch gelingt eine sachliche Auseinandersetzung mit demokratiegefährdenden Strategien ohne moralisierende Überheblichkeit. Hörempfehlung: Wer Brasiliens politische Zukunft verstehen will, erhält hier eine fundierte, zugleich unterhaltsame Analyse – mit dem nötigen kritishen Blick auf autoritäre Tendenzen.