Der Tag: Gaza-Verhandlungen - Wie fragil ist die Waffenruhe?
Deutschlandflick-Daily über die fragile Gaza-Waffenruhe und die EU-Energieabhängigkeit von Russland – informativ, aber oberflächlich.
Der Tag
39 min read1947 min audioDer Deutschlandfunk-Podcast "Der Tag" vom 22. Oktober 2025 beschäftigt sich mit zwei zentralen Themen: der fragilen Waffenruhe im Gazakrieg und dem EU-Beschluss, ab 2028 kein russisches Gas und Öl mehr zu importieren. Moderatorin Josephine Schulz spricht mit Korrespondent Jan-Christoph Kitzler über die jüngsten israelischen Luftangriffe trotz Waffenstillstand, die verzögerte Rückgabe toter Geiseln durch die Hamas sowie die massiven US-Diplomatie-Bemühungen vor Ort. Im zweiten Teil analysiert Energieexperte Simon Gerards, warum EU-Staaten trotz Sanktionen weiter Milliarden an Russland zahlen und welche politischen wie wirtschaftlichen Interessen dahinterstecken.
### 1. Waffenruhe hängt am seidenen Faden
Trotz offiziell geltender Waffenruhe sei die Lage in Gaza "ziemlich fragil", heiße es. Beide Seiten würden sich zwar rhetorisch an das Abkommen halten, gleichzeitig aber geschehen weiterhin Angriffe: "Wir hören aus dem Gazastreifen auch von Beschuss mit Panzern." Der Druck der USA und arabischer Staaten sei entscheidend, damit die Waffenruhe nicht zusammenbricht.
### 2. USA entzieht Israel Kontrolle über Gaza
Die USA bauten ein zivil-militärisches Koordinierungszentrum mit 200 Soldaten auf, das künftig über Zugänge und Hilfslieferungen entscheiden solle. Israel werde dadurch "das Heft des Handelns" aus der Hand genommen, weil Washington der israelischen Regierung unter Netanyahu nicht mehr trauen würde, Entwicklungsperspektiven für Palästinenser zuzulassen.
### 3. Hamas nutzt Machtvakuum und will sich nicht entwaffnen
Die Hamas fülle das entstehende Vakuum, zeige sich wieder auf den Straßen und vollstrecke an Gegnern gezielt Todesurteile. Eine freiwillige Entwaffnung komme nicht in Frage; arabische Staaten wie Qatar müssten Druck ausüben, etwa durch Ausweisung der Hamas-Führung. Ohne internationale Sicherheitstruppen drohe neues Chaos.
### 4. Foltervorwürfe gegen israelische Gefangenenlager
Ein palästinensischer Forensiker habe an 135 übergebenen Leichen "Folterspuren" festgestellt: Gefesselte Hände, verbundene Augen, Amputationen. Israel spreche von ausschließlich "im Kampf getöteten" Männern, doch die Befunde ließen laut Kitzler vermuten, dass Gefangene systematisch misshandelt worden seien.
### 5. EU plant Öl- und Gasstopp ab 2028
Die meisten EU-Energieminister einigten sich auf ein Importverbot für russisches Öl und Gas ab 2028. Kritisiert wird, dass bis dahin weitere Milliarden an Russland fließen, während parallel Waffen für die Ukraine finanziert würden. Besonders Frankreich, Belgien und Spanien hätten LNG-Importe 2025 noch erhöht und argumentierten mit Preisvorteilen und „laufenden Verträgen“.
### 6. Ungarn und Slowakei blockieren schnelles Vorgehen
Ungarn und die Slowakei bezögen weiter über 80 % ihres Gases aus Russland und hätten Importe seit 2022 sogar gesteigert. Die langfristigen Verträge seien politisch gewollt, da beide Regierungen dem Kreml ideologisch näherstünden. Ohne Ausnahmeregelungen für Pipelines durch Osteuropa droht ein Scheitern der Sanktionen.
## Einordnung
Die Sendung wirkt wie ein nüchterner Lagebericht, bleibt aber in der Analyse an der Oberfläche. Klar benennt sie Widersprüche – etwa dass EU-Staaten Putins Kriegskasse füllen, während sie der Ukraine Waffen liefern –, doch wirkliche Expertenkritik an der eigenen Regierungspolitik bleibt aus. Stattdessen dominiert die Perspektive deutscher Entscheidungsträger:innen, die sich selbst als „aufgeklärte“ Vorreiter darstellen, während „andere“ Länder (Ungarn, Slowakei, Frankreich) die Blockadeursrolle übernehmen. Kritische Stimmen palästinensischer Menschenrechtsorganisationen oder unabhängiger Sanktionsforscher fehlen gänzlich; stattdessen werden internationale Studien und NGO-Berichte nur sekundär gewürdigt. So bleibt der Eindruck eines konsensorientierten Formats, das bestehende Machtverhältnisse eher wiedergibt als sie zu hinterfragen.
Hörwarnung: Wer fundierte Kritik an EU-Energiepolitik oder israelischer Gaza-Politik erwartet, wird hier nur bedingt schlau – die Sendung bietet eine geglättete Presseschau, keine tiefgreifende Analyse.