LÄUFT - Der Podcast von epd medien und Grimme Institut: 68. Demokratie unter Druck: Die Macht rechtsautoritäter Narrative
Medienmacher:innen diskutieren, wie rechte Narrative salonfähig wurden – und warum Aufklärung allein nicht reicht.
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33 min read1934 min audioDie zweite Hälfte der Berliner Diskussion „Demokratie unter Druck – Die Macht rechtsautoritärer Narrative“ setzt sich mit der Frage auseinander, wie rechte Akteure Begriffe wie „Remigration“ strategisch in den Mainstream einschleusen. Regisseur Volker Heise erläutert, wie die AfD aus der Enthüllung des Potsdamer Geheimtreffens Kapital schlägt, indem sie aus Provokation Selbstverharmlosung macht. Politikberater Johannes Hillje beschreibt die doppelte Botschaft rechter Bewegungen: Sie mobilisieren Wut, wandeln sie aber in Hoffnung um und besetzen so gleichzeitig Untergangs- und Retterrollen. Journalistin Hatice Akyün warnt davor, Aufklärung als Allheilmittel zu betrachten; viele Wähler:innen seien längst gleichgültig gegenüber Fakten, weil sie vor allem Kontrolle und Veränderung wollen. Journalist Stephan Lamby kritisiert die Medien scharf: Sie hätten die AfD in Talkshows und Interviews zu oft wie eine normale Partei behandelt und dabei deren rassistisches Kernprogramm ausgespart. Die Runde fordert statt rein sachlicher Berichterstattung stärkere emotionale und konkrete Zukunftsprojekte, etwa durch sichtbare Infrastruktur-Investitionen.
### 1. Die AfD nutzt „Remigration“ nicht als Grenzverschiebung, sondern als Selbstverharmlosung
Heise betont: „Der eigentliche Skandal war ja, dass er das vorgetragen hat und Leute von der Werteunion und von der CDU und von der AfD da saßen und man dann eben diese Fantasien entwickelt hat, wie man Millionen Menschen los wird.“
### 2. Rechte Bewegungen verkaufen sich als Hoffnungsträger, nicht nur als Katastrophenpropheten
Hillje erklärt: „Die AfD ist für ihre Anhängerschaft Hoffnungsträgerin. Es gibt Studien … die zeigt, dass die AfD-Anhänger mehr Hoffnung in ihre Partei stecken, als es andere Wählerinnen und Wähler bei der jeweils anderen Partei tun.“
### 3. Viele Wähler:innen sind Fakten gegenüber gleichgültig, weil sie Kontrolle wollen
Akyün berichtet: „Ich habe mit türkischen Migranten … gesprochen, die AfD gewählt haben … weil die gesagt haben, Deutschland hat die Kontrolle verloren.“
### 4. Medien haben die AfD durch „Wohlfühljournalismus“ normalisiert
Lamby kritisiert: „Wir haben nämlich in der Berichterstattung zur Bundestagswahl angefangen … die AfD nach ihren ganz normalen Positionen … zu befragen. Das ist okay, aber bei weitem nicht ausreichend.“
### 5. Aufklärung allein reicht nicht; Demokratie braucht emotionale Zukunftsangebote
Hillje plädiert: „Es muss dann auch eine positive Identifikation geben mit dem … was denn die Demokratie für uns eigentlich bereithält.“
## Einordnung
Die Diskussion entlarvt eine doppelte journalistische Krise: Erstens haben Medien jahrelang rechte Sprach- und Deutungsangebote durch oberflächliche Talkshow-Logik salonfähig gemacht. Statt radikale Positionen als solche zu benennen, wurde über „Verkehrspolitik“ der AfD diskutiert – eine Normalisierung, die Lamby als „beschämend“ bezeichnet. Zweitens wird deutlich, dass klassische Aufklärung versagt, wenn Menschen nicht mehr auf Fakten reagieren, sondern auf Gefühle von Kontrollverlust. Die Podiumsdiskussion selbst bleibt dabei auf der Höhe der Zeit: Sie reflektiert die eigene Rolle, ohne in Selbstanklage zu verfallen, und fordert konkrete emotionale Gegenentwürfe statt bloßer Appelle zur Demokratieverteidigung. Besonders bemerkenswert ist die Selbstreflexion der Medienvertreter:innen, die ihre eigene Mitverantwortung an der Diskursverschiebung eingestehen – ein seltenes Format, das journalistische Professionalität neu definiert. Wer die Folge hört, erhält keine fertigen Antworten, aber ein klares Signal: Ohne emotionale Zukunftsvisionen bleibt die Demokratie defensiv.