Haken dran – das Social-Media-Update der c't: Zu: Ein kleiner Ritt durch die Dystopie (mit Markus Beckedahl)
Haken dran – das Social-Media-Update der c't
49 min read# Ein besseres Internet ist möglich – trotz Hindernissen durch Zuckerberg, Musk und Co.
In diesem Podcast diskutieren Markus Beckedahl, Gründer von Netzpolitik.org und kuratorischer Leiter der re:publica, zusammen mit dem Moderator über aktuelle Entwicklungen im digitalen Raum. Im Fokus stehen Meta, Twitter/X und TikTok sowie deren Geschäftspraktiken, die regulatorischen Herausforderungen in der EU und der Umgang mit Nutzer:innendaten.
### 1. Metas KI-Strategie: Avatare statt echter Freundschaften
Mark Zuckerberg rechtfertige seine neue KI-Avatar-Strategie mit der Behauptung, dass "der durchschnittliche Amerikaner weniger als drei Freunde" habe und "die durchschnittliche Person Bedarf an deutlich mehr" hätte. Die Gesprächspartner interpretieren dies als grundlegende Verschiebung der ursprünglichen Mission sozialer Netzwerke:
"Das ist eine Begründung dafür, warum es jetzt eben digitale Avatare gibt, mit denen man sich eben austauschen soll, anstatt eben tatsächlich FreundInnen zu finden auf diesen Netzwerken, die eigentlich mal [...] gestartet sind, um Vernetzung unter Menschen herstellen zu können."
### 2. Datenschutz-Doppelmoral: Metas globale Standards variieren stark
Meta wende in Ländern des globalen Südens wie Nigeria deutlich niedrigere Datenverarbeitungs- und Moderationsstandards an als in Europa oder den USA. Als Nigeria Meta mit einer Geldstrafe von 290 Millionen Dollar belegt habe, drohe der Konzern mit Abschaltung seiner Dienste:
"Es gibt diverse dokumentierte Fälle [...] in Nigeria, die halt da auch deswegen so groß sind, weil Meta da einfach auch teilweise das Monopol hat durch WhatsApp, wie sich Sachen verbreiten und einfach keine Verantwortung übernehmen möchte."
### 3. EU-Strafen gegen Techkonzerne gelten als zu niedrig
Die jüngsten EU-Strafen gegen Meta (200 Millionen Euro) und TikTok (530 Millionen Euro) seien zwar Schritte in die richtige Richtung, aber gemessen am Umsatz der Unternehmen zu gering. Bei Meta betrage die Strafe nur "0,01%" des möglichen Strafrahmens:
"Ich will da jetzt nicht zu parteiisch werden, aber für mich ist das so ein frecher Rechtsverstoß am Ende, dass ich mir denke, da hätte man nach meinem Ermessen mehr als diese 200 Millionen erheben müssen."
### 4. Das "Twitter Files"-Playbook als Gefahr für demokratische Institutionen
Elon Musks "Twitter Files"-Strategie, bei der interne Daten gezielt zur Diskreditierung von Institutionen genutzt würden, werde zunehmend kopiert. Ein Beamter im US-Außenministerium, Darren Beattie, plane nun Ähnliches:
"Twitter-Filesing ist eine brutale Gewalttaktik, die einen autoritären Charakter hat. [...] In Wirklichkeit geht es darum, das Vertrauen in alle zu zerstören, außer in die wenigen, die gerade das Sagen haben. Übernehmen Sie eine Institution und verwenden Sie die Informationen dieser Institution gegen Sie, um zu zeigen, wie korrupt sie war."
### 5. Algorithmen brauchen demokratische Kontrolle
Die Intransparenz algorithmischer Entscheidungssysteme gefährde die demokratische Meinungsbildung. Die Podcast-Gäste fordern mehr Transparenz und Kontrollmöglichkeiten:
"Es sollte halt Möglichkeiten geben, das erstmal auch für unbedarfte Nutzerinnen transparenter zu beschreiben, aber auch, dass wir dann quasi demokratische Kontrollmöglichkeiten brauchen [...] um halt überprüfen zu können, ob im Hintergrund nicht bestimmte Meinungen manipuliert werden."
## Einordnung
Der Podcast bietet eine fundierte Kritik an aktuellen Entwicklungen im digitalen Raum und beleuchtet besonders die Machtkonzentration bei Techkonzernen. Auffällig ist die strukturierte Analyse der Strategien von Meta und X/Twitter, die über eine reine Technikkritik hinausgeht und politische Dimensionen einbezieht. Während besonders die Praktiken im globalen Süden beleuchtet werden, bleiben jedoch konkrete Gegenmodelle eher vage – das "bessere Internet" wird zwar als möglich bezeichnet, aber nicht detailliert ausformuliert.
Die Diskussion bewegt sich in einem progressiven Diskursraum, der Digitalisierung grundsätzlich bejaht, aber demokratische Kontrolle einfordert. Bemerkenswert ist, wie die Sprecher unterrepräsentierte Perspektiven (etwa aus Nigeria) einbeziehen, aber gleichzeitig im eigenen eurozentrisch-regulatorischen Rahmen verbleiben. Die strukturellen Probleme werden primär als Folge unzureichender Regulierung und unternehmerischer Verantwortungslosigkeit gerahmt, weniger als systemisches Problem eines kapitalistisch geprägten Internets.
Das Format vermittelt durch seine diskursive Tiefe, den Blick über den europäischen Tellerrand und die Verbindung von Technologie-, Politik- und Gesellschaftskritik wichtige Einsichten für digitalpolitisch Interessierte. Der sachlich-analytische, aber zugängliche Ton macht komplexe Zusammenhänge verständlich. Hörempfehlung für alle, die die Macht digitaler Plattformen kritisch reflektieren wollen.