Shortcut – Schneller mehr verstehen: »Pig Butchering«: Vom Online-Flirt zum finanziellen Ruin (Wdh.)

SPIEGEL-Shortcut erklärt die gefährliche Mischung aus Liebes- und Kryptobetrug, die weltweit Milliarden kostet.

Shortcut – Schneller mehr verstehen
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Der SPIEGEL-Podcast "Shortcut" widmet sich in dieser Wiederholung vom 08.10.2024 dem Betrugsmuster "Pig Butchering", einer Mischung aus Liebes- und Kryptobetrug. Host Maximilian Sepp befragt SPIEGEL-Redakteur Max Hoppenstedt, der mit Betroffenen wie dem pseudonymen Maxim gesprochen hat. Maxim habe 170.000 Euro verloren, nachdem ihm eine angebliche Geschäftsfrau über Monate hinweg Vertrauen aufgebaut und ihn zu Krypto-Investitionen überredet habe. Die Täter:innen arbeiteten demnach hochorganisiert aus südostasiatischen Callcentern, wobei viele der Chat-Betreiber:innen selbst Opfer von Menschenhändler:innen seien. Die Folge endet mit konkreten Schutzmaßnahmen: Misstrauen bei Plattform-Wechseln, Ablehnung von Krypto-Zahlungen und Video-Call-Tests. ### 1. Die Masche kombiniert Liebesbetrug mit Krypto-Trading-Fakes Hoppenstedt erklärt, dass "Pig Butchering" zwei etablierte Betrugsmuster verknüpfe: "Das erste ist der Romance-Scam [...] und das zweite ist Cybertrading-Betrug". Die Täter:innen würden monatelang Vertrauen aufbauen, bevor sie zu gefälschten Investment-Plattformen locken. ### 2. Die Opfer entsprächen nicht dem Klischee des leichtsinnigen Sünders Maxim sei "Kassenwart beim lokalen Sportverein" gewesen und habe "noch nie vorher Geld angelegt". Hoppenstedt betont: "Das ist nicht so ein Typ, wie man ihn sich vorstellen würde, der auf sowas reinfällt", wodurch sich das Narrativ des "naiven Opfers" als unzutreffend erweise. ### 3. Die Täter:innen selbst seien oft Opfer moderner Sklaverei Hoppenstedt berichtet von "Compounds, also von Gebäudekomplexen, die eingezäunt sind", in denen Menschen "als moderne Sklaven gehalten und zum Betrug gezwungen" würden. Diese würden oft unter dem Vorwand legitimer Callcenter-Jobs angeworben. ### 4. Das Schadensausmaß sei massiv und unterschätzt Die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg habe für Bayern allein 29 Millionen Euro Schaden registriert, wobei die Dunkelziffer wohl deutlich höher liege. Weltweit gehe die UN von Milliardenbeträgen aus. ### 5. Die Masche folge standardisierten psychologischen Leitfäden Hoppenstedt zitiert aus einem internen Skript: "Sicherheit ist garantiert" und "finde heraus, wer sind die Eltern [...] sammle diese ganzen Details, um es später [...] zu verwenden". Dies zeige systematische Vorbereitung. ### 6. Schutzmaßnahmen seien einfach aber entscheidend Die Folge empfiehlt drei konkrete Schritte: Vorsicht bei Plattform-Wechseln, Ablehnung von Krypto-Zahlungen und Video-Call-Tests zur Identitätsprüfung. ## Einordnung Die Folge demonstriert journalistische Professionalität durch faktenbasierte Aufklärung ohne sensationsheischende Dramatik. Hoppenstedt gelingt es, komplexe Zusammenhänge zwischen organisierter Kriminalität, globaler Ausbeutung und individuellem Leid verständlich zu vermitteln. Besonders bemerkenswert ist die differenzierte Darstellung der Täter:innen als gleichzeitig Täter:innen und Opfer eines Systems, das ohne oberflächliche Schuldzuweisungen auskommt. Die Expertise wird glaubwürdig durch konkrete Fallbeispiele und Behördenangaben gestützt. Die klare Strukturierung mit praktischen Handlungsempfehlungen rundet das Format ab. Die Wiederholung im August wirkt angesichts der Aktualität des Themas gerechtfertigt, auch wenn neue Entwicklungen seit Oktober 2024 nicht mehr berücksichtigt werden konnten.