Der SRF-Podcast "Echo der Zeit" beleuchtet in der Folge "Atomkraftwerke als Kriegsschauplätze" die atomare Bedrohung in der Ukraine seit der russischen Invasion 2022. Judith Huber spricht mit ukrainischen Experten wie Anatoli Nasowski, Anton Kuteko und Sergej Kirejew sowie mit der ehemaligen AKW-Mitarbeiterin Katerina aus Enerhodar. Das Thema: die Gefahren durch russische Besatzung von Tschernobyl und Saporischja sowie die prekäre Lage der noch aktiven ukrainischen Atomkraftwerke. ### 1 Russische Truppen hätten sich in Tschernobyl wie in einer normalen Umgebung bewegt Sergej Kirejew, Leiter der Abteilung für dosimetrische Kontrolle, berichtet: "Sie haben dort gelebt, geschlafen, Feuer gemacht, gegessen und sie wurden nicht abgelöst." Die Soldaten hätten sich gefährlicher radioaktiver Partikel ausgesetzt, ohne Schutzmaßnahmen zu treffen. ### 2 Die IAEA habe auf die Besetzung von Atomkraftwerken nur schwach reagiert Anatoli Nasowski kritisiert scharf: "Die IAEA habe sehr schwach reagiert." Der IAEA-Generaldirektor habe lediglich "ernste Besorgnis" geäußert, aber Russland nicht als Aggressor benannt. Nasowski fordert: "Entfernt die Russen aus der IAEA. Nehmt kein Geld von Russland mehr ab." ### 3 Die Ukraine sei auf Atomstrom angewiesen, obwohl die Reaktoren eigentlich abgeschaltet werden müssten Nasowski erklärt: "Wir leben nur noch von der Atomenergie. Die Russen haben 80 % unserer Thermalkraftwerke zerbombt. Dasselbe gilt für die Wasserkraft." Trotz der Gefahr durch Angriffe könnten die Reaktoren nicht heruntergefahren werden, da sonst kein Strom mehr zur Verfügung stände. ### 4 Russland nutze AKWs als "nukleares Schutzschild" Mehrere Zeugen berichten übereinstimmend, dass Russland das AKW Saporischja als "atomares Schutzschild" vor ukrainischen Gegenangriffen nutze. Die ukrainischen Mitarbeiter:innen würden wie Geiseln gehalten und systematisch unter Druck gesetzt. ### 5 Die Schutzhülle über dem Tschernobyl-Reaktor sei durch einen Drohnenangriff beschädigt worden Am 14. Februar 2024 habe eine Kamikaze-Drohne die Schutzhülle durchschlagen. Ingenieur Kuteko: "Sie durchschlug die innere und äußere Hülle und löste in der Gummimembran dazwischen einen Schwelbrand aus, der erst nach Wochen gelöscht werden konnte." ### 6 Die Besatzung von Atomkraftwerken stelle ein Kriegsverbrechen dar Der Menschenrechtsexperte Oleksandr Pavlichenko erklärt: "Kernkraftwerke zu einem Kriegsschauplatz zu machen, das berge ein Gefahrenpotential, das weit über die Ukraine hinausgehe. Es sei ein Kriegsverbrechen." ## Einordnung Die Sendung arbeitet journalistisch hochprofessionell mit klarem Fokus auf die Perspektive der Betroffenen. Die Reporterin Judith Huber verzichtet auf Spekulationen und lässt die ukrainischen Experten und Zeugen ausführlich zu Wort kommen. Besonders bemerkenswert ist die dokumentarische Tiefe - von den verstrahlten Wäldern um Tschernobyl bis zu den Folterkellern in Enerhodar. Die Sendung vermittelt eine differenzierte Sicht auf die atomare Bedrohung, ohne in Alarmismus zu verfallen. Die Kritik an der IAEA wird sachlich begründet, die Verantwortung Russlands klar benannt. Als professionelles Nachrichtenformat gelingt es dem Echo der Zeit, die Komplexität der Situation verständlich zu vermitteln und die humanitäre Dimension der atomaren Bedrohung sichtbar zu machen. Hörwarnung: Die Berichte über Folter und Besatzung können verstörend wirken, die Sendung ist aber ein wichtiger Beitrag zum Verständnis der atomaren Risiken im Ukraine-Krieg.