Agata Kasprolewicz spricht mit dem polnischen Journalisten Jędrzej Morawiecki über dessen Buch "Szykuj sanie latem" über den selbsternannten Mesias Wissarion, der Anfang der 1990er-Jahre auf dem Höhepunkt des sozialen Zusammenbruchs in Russland eine Glaubensgemeinschaft auf der Sibiristeppe gründete. Morawiecki zeigt, wie Wissarion mit Charisma und Marketing-Gespür Tausende Anhänger:innen anlockte, die ihr Hab und Gut verkauften, um in seiner Utopie zu leben. Die anfänglich idyllische Gemeinschaft entwickelte sich zu einer kontrollierten Sekte. Morawiecki zieht eine Parallele zwischen Wissarions Lügen-Paradox ("Lüge, die Gutes bringt") und Putins Machttechnik, beide hätten das Trauma der 90er-Jahre ausgenutzt. Die Episode nutzt die Geschichte als Folie für tiefergelegende Deutungen über Russlands Umgang mit Freiheit, den unstillbaren Bedarf nach Sinn und die leichte Verführbarkeit zur Diktatur. Gesprächstechnisch bleibt Kasprolewicz überwiegend in der Aufforderungsfunktion, während Morawiecki einzelne Ereignisse plastisch ausmalt, aber kaum Gegenstimmen oder wissenschaftliche Einordnungen einholt. Die journalistische Distanz ist gering, stattdessen dominiert narrative Faszination ohne kritische Sekundärrecherche. Die politische Botschaft ist eindeutig: Russland sei strukturell zu Totalitärem verdammt; westliche Perspektiven auf Selbstorganisation und demokratische Freiheit bleiben ausgespart. Als Unterhaltungsformat funktioniert die Episode, als analytischer Journalismus zeigt sie methodische Schwächen: fehlende Quellen, keine Expert:innen außer dem Autor und eine Historisierung, die aktuelle Machtverhältnisse eher reproduziert als hinterfragt.