Der Podcast „Breitband“ (Deutschlandfunk Kultur) diskutiert in dieser Folge drei digitale Themen: die abgelehnte EU-Chatkontrolle und ihre politische Wiederkehr, die Auswirkungen von KI auf den Arbeitsmarkt sowie die Veränderung von Lesekompetenz durch digitale Medien. Moderator Marcus Richter spricht mit Elina Eickstädt (Chaos Computer Club) über die technischen und rechtlichen Probleme der Chatkontrolle, mit Hagen Terschüren über KI-bedingte Jobverluste bei TikTok und die Rolle von KI in der Arbeitswelt sowie mit Jochen Dreier über die Herausforderungen des digitalen Lesens und dessen Einfluss auf kritisches Denken. Die Diskussion ist journalistisch fundiert, mit klaren Positionen und kritischem Blick auf technologische und gesellschaftliche Entwicklungen. ### 1. Chatkontrolle als „Zombie-Thema“ trotz deutscher Ablehnung Trotz der deutschen Positionierung gegen die EU-Chatkontrolle besteht laut Elina Eickstädt die Gefahr, dass das Thema im Dezember erneut auf die Tagesordnung kommt. Die Bundesregierung könnte sich im EU-Rat einem Kompromiss verschließen, der zwar keine anlasslose, aber weiterhin eine anlassbezogene Chatkontrolle ermöglicht. „Diese Art von Hintertür kann man nicht nur mal aufmachen, sondern die ist dann halt einfach offen.“ ### 2. KI ersetzt Arbeitskräfte – aber nicht immer sinnvoll Bei TikTok und anderen Unternehmen wie Klarna oder Lufthansa werden Jobs durch KI abgebaut, oft in Bereichen wie Content-Moderation oder Verwaltung. Dabei zeigt sich: KI kann zwar belastende Inhalte filtern, aber Kontexte wie rechtsextreme Codes oder kulturelle Nuancen werden oft falsch gedeutet. „Die Frage ist, wo kommt dann die Expertise derer her, die sie überwachen müssen?“ ### 3. Digitales Lesen fordert neue Kompetenzen Digitales Lesen führt laut Studien zu schlechterem Textverständnis, da Nutzer:innen zum Überfliegen neigen und Ablenkungen durch Hyperlinks, Werbung und Bewegtbild erhöht sind. Die Lesekompetenz nimmt ab – besonders bei Jugendlichen – was mit geringerem Vertrauen in soziale Beziehungen und höherer Anfälligkeit für Rechtspopulismus und Falschinformationen verbunden ist. ### 4. Literarisches Lesen als Gegenmittel Literarisches Lesen kann helfen, digitale Kompetenzen zu stärken: Es trainiert Geduld, mentale Modellbildung und kontextuelles Denken – Fähigkeiten, die auch für das kritische Lesen von Online-Inhalten zentral sind. Besonders junge Menschen lesen laut aktuellen Studien wieder mehr Bücher – ein Hoffnungsschimmer. ### 5. Verlust von Privatsphäre durch Überwachungstechnologien Sowohl Chatkontrolle als auch Vorratsdatenspeicherung bedeuten laut Eickstädt einen gravierenden Eingriff in die Privatsphäre. Die Politik wiederhole Vorhaben, die bereits mehrfach gescheitert sind – was zu Politikverdrossenheit führen kann: „Wenn wir es jetzt zum 20. Mal versuchen, dann schreit vielleicht niemand mehr so laut.“ ## Einordnung Die Episode zeigt ein professionelles journalistisches Format mit klarer Struktur, anspruchsvoller Recherche und differenzierten Gesprächspartner:innen. Besonders hervorzuheben ist, wie sachlich und technisch präzise über komplexe Themen wie Verschlüsselung, KI-Technologie und digitale Bildung gesprochen wird. Die Moderation gelingt es, ohne Polemik oder Technikgläubigkeit, kritische Perspektiven sichtbar zu machen – etwa die Gefahr von Politikverdrossenkeit durch wiederholte Gesetzesinitiativen oder die sozialen Folgen von KI-Einsatz ohne Beteiligung der Beschäftigten. Es wird deutlich: Technologie ist nicht neutral, und ihre Gestaltung muss demokratisch und arbeitnehmer:innenorientiert erfolgen. Gleichzeitig wird der gesellschaftliche Stellenwert von Lesekompetenz neu verhandelt – nicht als nostalgische Geste, sondern als Voraussetzung für mündige digitale Teilhabe. Der Podcast liefert eine gelungene Mischung aus Hintergrundinformation, Kritik und Zukunftsperspektiven – ohne in Schwarzmalerei oder technologische Utopien zu verfallen. Hörempfehlung: Unbedingt anhören – wer digitale Politik, KI und Bildung verstehen will, bekommt hier klare Analysen ohne Panikmache.