Hintergrund: 7. Oktober in Israel - Zurück in die Kibbuzim an der Grenze zum Gazastreifen
Deutschlandfunk begleitet die Rückkehr von Israelis in die Kibbuzim am Gazastreifen – einseitig, ohne palästinensische Stimmen und ohne kritische Einordnung.
Hintergrund
17 min read1109 min audioIm Deutschlandfunk-Podcast "Hintergrund" berichten Bettina Meier und Julio Segador zwei Jahre nach der Hamas-Terrorattacke vom 7. Oktober 2023 über die Rückkehr von Israelis in die Kibbuzim entlang des Gazastreifens. Die 18-minütige Reportage begleitet überwiegend ältere Menschen wie den 100-jährigen Holocaust-Überlebenden Raim „Solo“ Shilo und die Nova-Festival-Überlebende Rita Yedit, die ihre Perspektiven auf das Trauma und ihre Entscheidung, trotz andauernden Krieges zurückzukehren, schildern. Dazwischen kommt auch ein Siedlungsaktivist zu Wort, der neue Häuser direkt an der Grenzmauer plant. Palästinenser:innen werden kaum zitiert; ihre Sicht erscheint lediglich in der Kritik eines Kibbuz-Bewohners, der sie pauschal als „brutale Kultur“ diffamiert. Die Redakteur:innen stellen keine weiteren Stimmen ein, weder Gazaberichte noch Expertise zur militärischen Lage oder zum humanitären Katastrophenzustand. Die Erzählung bleibt so ganz auf israelischer Seite, ohne die Rahmenbedingungen des Konflikts zu kontextualisieren oder die Machtverhältnisse zu hinterfragen.
### 1. Rückkehr trotz anhaltender Gefahr
Solo will trotz Beschuss zurück in den Kibbuz Nirim, weil „Zuhause Zuhause“ sei. Seine Tochter hält das angesichts nächtlicher Detonationen für unverantwortlich: „Mein Verstand sagt, es wäre besser, nicht zurückzukehren.“
### 2. Überlebende nutzen Orte des Massenmords als Erinnerungs- und Therapieorte
Rita Yedit führt Gruppen über das Nova-Festival-Gelände und bittet Besucher, „drei Dinge“ aufzuschreiben, „für die ihr dankbar seid“, um das eigene Leben nach dem Massenmord neu zu würdigen.
### 3. Kibbuzim als Geisterstädte
Ralf Levenson zeigt durch sein zerstörtes, weitgehend leeres Kibbuz Quasa und erklärt: „Es ist kein Gemeinschaftsleben mehr … keine Dienste, keine Kinder.“ Viele Häuser tragen die Zahlen der dort ermordeten Bewohner.
### 4. Pauschale Verurteilung der palästinensischen Bevölkerung
Levenson erklärt sein begrenztes Mitleid mit den Menschen in Gaza mit der pauschalen Behauptung, „nicht ein Versuch“ der Bevölkerung, Geiseln zu schützen, und nennt sie eine „brutale Kultur“.
### 5. Siedlungsausbau als „Antwort“ auf den 7. Oktober
Oded Farber und Yigal Moskovich wollen in Kerem Shalom direkt an der Grenze 140 neue Familienhäuser bauen und sprechen davon, „den Zionismus“ neu zu säen: „Das wird unser Sieg über die Hamas sein.“
### 6. Ambivalente Empathie
Solo empfinde „Ja und nein“ hinsichtlich des Leidens der Palästinenser: „Das sind meine Feinde, aber … vor zwei Jahren waren sie unsere Freunde“ und hatten im Kibbuz gearbeitet.
## Einordnung
Die Reportage bleibt in der journalistischen Praxis auffällig einseitig: Fast ausschließlich israelische Zeitzeug:innen kommen zu Wort, während palästinensische Stimmen fehlen und der Krieg in Gaza nur als Geräuschkulisse erscheint. Die Autor:innen stellen keine kritischen Nachfragen zu Siedlungsplänen oder zu pauschalen Feindbildern. Stattdessen verstärken sie durch Auswahl und Montage eine perspektivische Homogenität, die Machtverhältnisse und historische Kontexte ausblendet. Die diffamierende Äußerung über eine „brutale Kultur“ bleibt ohne Kommentar oder Korrektur. So dokumentiert der Beitrag zwar eindrücklich individuelles Leid und den Wunsch nach Normalität, verzichtet aber auf journalistische Distanz und analytische Einordnung.
Hörwarnung: Wer eine ausgewogene oder kontextreiche Auseinandersetzung mit den Kriegsfolgen auf beiden Seiten sucht, wird hier nicht fündig.